Siegreiche Terroristen

Die große Party muss weitergehen, sonst hätte Ussama Bin Laden sein Ziel erreicht

Bin Ladens Pressesprecher Otto Schily weiß, wie er Stimmung in die deutsche Bude bringt

Die Anzahl deutscher Terrorismus-Experten nimmt dieser Tage beängstigende Ausmaße an. Kaum stößt Wüstengodzilla Bin Laden eine beliebige Folge von Substantiven und Verben aus, drehen Politiker und Bevölkerung gleichermaßen durch. Der Umstand, dass der „gerechte Krieg“ gegen Afghanistan tausende Zivilisten tötete, während der „Dr. Mabuse von Tora-Bora“ weiterhin auf Terror-Tournee ist, lässt etliche „Enduring Freedom“-Enthusiasten schlecht schlafen. Da reicht es, wenn Bin Laden unter Wasser auf einem Kamm bläst, um unheilvolle Botschaften dahinter zu vermuten. Seine PR-Abteilung bekommt somit Millionen unfreiwilliger Mitarbeiter.

Stets zur Stelle, wenn der arabischen Schwurbel-Mumie nach Monaten des Deliriums ein neues Wort einfällt, ist beispielsweise sein deutscher Pressesprecher Otto Schily: „Bloß keine Panikmache jetzt, wir müssen alle ruhig bleiben, unbedingt, Wachsamkeit, ja, bloß kein allgemeiner Alarmismus, denn: Dann hätten die Terroristen schon gewonnen.“ So kräht er dieser Tage wieder paradoxierend durch Funk und Fernsehen. Wer braucht Otto Bin Laden, wenn er Ussama Schily hat? Der Innenminister weiß, wie er Stimmung in die Bude bringt.

„Party muss immer sein – ficken – jetzt erst recht – sonst hätten die Terroristen ja erreicht, was sie wollten“, steht demzufolge im Internet in einem Techno-Chat zu lesen. Verständlich, denn über Techno und Ficken hat sich Bin Laden ja ganz besonders den Kopf zerbrochen. Da wird der Herr Bin Laden wohl auch lange gegrübelt haben, bis er den Musik-Terroristen Dieter Gorny im vergangenen Jahr dazu brachte, sein Viva-Wichs-Programm mal für ein paar Stunden auf Schwarz zu blenden: „aus Respekt vor den Geschehnissen“. Dass Gorny die Geschehnisse des Elftenseptembers respektabel fand, ist merkwürdig genug. Trotzdem: eine gute Entscheidung! Dämmerte doch Gorny bald, dass al-Qaida nicht New York, sondern eigentlich ihn und Viva-Köln treffen wollte. Seitdem versucht er mit schäbigen 0190-Tricks das seinerzeit entstandene Defizit aus wehrlosen Kindern rauszuprügeln, die er bei Viva Plus anrufen lässt, damit sie für 49 Cent pro Verbindung ein „Vote“ für ihren „Lieblingsclip“ abgeben, den sie früher oder später ohnehin erdulden müssten.

Die gängigsten Terrorismus-Formeln lauten also: Tanzt du nicht mit auf der Titanic, hat Bin Laden sein Ziel erreicht. Bist du nicht meiner Meinung, haben die Terroristen schon gewonnen. So kann man selbst die bärtigste Terror-Mumie noch zur Fortführung von Verblödung und Hedonismus instrumentalisieren. Kaufen, ficken, feiern. Bis Qualm oder doch Bin Laden kommt.

Sportler, Entertainer, Vorstandsvorsitzende: Fast alle meinen zu wissen, was die Terroristen wollen. Außerdem vermuten sie, auf Bin Ladens Opferliste ganz oben zu stehen. „Deshalb hat sich meine Welt nicht verändert. Würde ich der Angst erliegen, hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht“, fand auch Post-Chef Klaus Zumwinkel. Wer nun glaubt, Bin Laden würde sich mit der Übernahme der Post-AG begnügen, der irrt: „Terroristen dürfen nicht diktieren, wie Bertelsmann geführt werden soll“, unkte bereits im vergangenen Jahr der damalige Bertelmann-Chef Thomas Middelhoff. Nur wenige Monate später wurde er in die Wüste geschickt. Seitdem diktiert sein Nachfolger Gunter Thielen, wie Bertelsmann geführt werden soll. Hat sich der BND diesen Mann mal genauer angesehen? Oder sollten wir einfach dem Berliner Busfahrer glauben, der auf die Frage, ob er sich vor Anschlägen fürchte, zurückschnauzte: „Ick habe 16 Jahre Helmut Kohl überstanden, wofür soll ick mir noch gruseln?“

ANDRÉ PARIS