Alle Verdächtigen rechtsextrem

Für die Staatsanwaltschaft hat der Mordfall in der Uckermark eine völlig neue Dimension – so nichtig war der Anlass, so brutal das Vorgehen der Täter gegen den 16-Jährigen

BERLIN taz ■ Die jungen Männer, die den Jugendlichen Marinus S. umgebracht und in eine Jauchegrube geworfen haben sollen, gehören offenbar alle drei der rechtsextremen Szene an. Eine „Szenenzugehörigkeit“ sei bei allen „sehr deutlich gegeben“, teilte die Staatsanwaltschaft Neuruppin mit. Die Vernehmung der Täter im Alter von 17 und 23 Jahren dauerte bei Redaktionsschluss an. Noch am Abend sollte Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Mordes erlassen werden.

Den dreien wird zur Last gelegt, am Abend des 12. Juli in Potzlow in der brandenburgischen Uckermark Marinus S. erst geschlagen, anschließend verschleppt und dann zu Tode gefoltert zu haben. Die Tat war am Wochenende bekannt geworden, weil einer der mutmaßlichen Täter geplappert hatte. Am Montag bargen Beamte das Skelett des Jungen aus der Jauchegrube eines Stallgeländes.

Inzwischen ist bekannt, dass Marinus S. zum Tatzeitpunkt erst 16 Jahre alt war. Seinen Geburtstag, den 4. September, hat er nie erlebt. Er war lernbehindert, konnte kaum lesen und schreiben und besuchte eine Förderschule in Templin. Erst im Frühjahr war er von Potzlow ins benachbarte Gerswalde gezogen, kehrte aber gerne zurück, um Freunde zu treffen. Ein Gerswalder Nachbar, der einen Sohn im selben Alter hat, beschreibt Marinus als unauffällig. „Er war weder links noch irgendwie provokativ“, sagte er der taz, „er war halt in der HipHop-Szene, hat vielleicht auch mal was geklaut. Er war, wie Jugendliche hier halt sind.“ Der Streit, der zu seinem Tod führte, hatte sich laut Staatsanwaltschaft daran entzündet, dass den Rechten Marinus’ HipHopper-Hose sowie seine gefärbten Haare nicht passten.

Der einzige Volljährige unter den drei Verdächtigen ist als Rechtsextremer in der Gegend längst bekannt. Im August hatte der 23-jährige Marco S. mitten in Prenzlau einen Mann aus Sierra Leone mit Schlagring und Knüppeln niedergeschlagen. Erst vor vier Wochen war er zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

Lothar Priewe, ein Ausländerberater, der den Prozess beobachtet hat, sagte gestern zur taz, Marco S. habe weder Reue noch Einsicht gezeigt. „Er saß im Saal, stumpfsinnig wie ein Tier“, so Priewe, „ich bin mir gar nicht sicher, ob er zu menschlichen Regungen überhaupt fähig ist.“ Nun sitzt er vermutlich bald wieder vor Gericht – wegen einer Tat, über die die Ankläger bereits jetzt zu Protokoll geben, sie stelle, was „die Nichtigkeit des Anlasses und die Brutalität des Vorgehens angeht, auch für hartgesottene Staatsanwälte eine neue Dimension dar“.

JEANNETTE GODDAR