Verschleiertes Ablenkungsmanöver

Eine Journalistin darf nicht beim schwedischen Sender SVT moderieren – sie trägt aus religiösen Gründen ein Kopftuch

STOCKHOLM taz ■ Vor einigen Monaten noch hatte sich Schwedens öffentlich-rechtliches Fernsehen SVT in einem Multikulti-Papier zur „besonderen Berücksichtigung“ der ethnischen Vielfalt in im Programm verpflichtet. Am Freitag letzter Woche verweigerte man nun einer Journalistin den Moderatorenposten, für den sie sich beworben und qualifiziert hatte. Der Grund: Sie trage aus religiösen Gründen Kopftuch und sei daher ungeeignet.

Die Proteste ließen nicht lange auf sich warten, doch SVT gab sich zunächst wild entschlossen, hart zu bleiben. Zumindest solange nicht ein Gerichtsurteil es dazu zwingt, auch eine Moderatorin mit Kopftuch auf die Mattscheibe zu lassen. Dabei tut sich der Sender mit der Begründung seines von der Diskriminierungs-Ombudsfrau (DO) Katri Linna als „vorgestrig“ gescholtenen Beschlusses offensichtlich außerordentlich schwer.

Zunächst waren es laut Programmchef Hans Hernborn „mögliche Zweifel an ihrer Unparteilichkeit“, welche von einer Kopftuchmoderatorin drohten. Nachdem man eingesehen hatte, dass die Begründung, ein Kopftuch lasse auf Parteilichkeit schließen, die ganze Geschichte noch schlimmer machte, einigte man sich Stunden später auf eine neue Version. Man wolle die ZuschauerInnen nicht ablenken. Denn, so Informationschefin Helga Baagöe: „Alles, was Zuschauer ablenkt, lässt die Botschaft der Sendung schwerer ankommen. Das kann ein Kopftuch, ein greller Schlips oder auch eine auffallende Frisur sein.“

Die fragliche Journalistin arbeitet seit längerer Zeit für SVT und war bislang in ihren Reportagen immer mit Kopftuch ins Bild gerückt worden, ohne dass sich daran jemand gestört oder abgelenkt gefühlt hätte. Da die ihr zugedachte Moderatorinnenaufgabe auch noch für das spezielle multiethnische Programm „Mosaik“ sein sollte, setzte sich SVT besonders kräftig in die Nesseln. „Von einer Schablone“ gehe offenbar das öffentlich-rechtliche Fernsehen aus, wundert sich DO Linna, „dass jemand seine Arbeit nicht anständig tun könne, weil seine Religion das Kopftuch vorschreibt“.

Da dann und wann durchaus mal ein Kreuz am Hals von ProgrammpräsentatorInnen zu sehen ist, warum soll dann ein Kopftuch als Ausdruck einer – anderen – religiösen Überzeugung so verfemt und so ablenkend sein? Linna hat „keinen Zweifel“, dass SVT gegen das Antidiskriminierungsgebot verstößt.

Dessen „Ablenkungs-Begründung“ dürfte es zwar etwas schwerer für ein Gericht machen, SVT wegen Verstoßes gegen das in Schweden gesetzlich verankerte Diskriminierungsverbot, welches ausdrücklich das Recht des Kopftuchtragens im Arbeitsleben umfasst, zu verurteilen. Dafür ist es aber auch alles andere als glaubwürdig. Bislang war nicht bekannt, dass SVT bei ModeratorInnen spezielle Auftrittskontrollen für Schlipsfarbe, Schmuck, Haar- oder Bartpräsentation praktiziert. Doch das könnte sich jetzt ändern.

Im Sendehaus in Stockholm gingen am Wochenende auffallend viele Anrufe und Mails von ZuschauerInnen ein, die sich bitter darüber beschwerten, durch die schlimme Aufregung über ein besonders verwirrendes Schlipsmuster eines Moderators oder die unpassende Haarsträhne einer Nachrichtensprecherin nicht nur Atem- und Herzbeschwerden bekommen, sondern ganz böse vom Inhalt der Sendung abgelenkt worden zu sein.

REINHARD WOLFF