„Bürger können viel mehr“

Die Bürgerstiftung Bremen soll die Basis aufmischen und Demokratie von unten stärken. Vize-Vorsitzender Hans-Christoph Hoppensack leugnet Zusammenhänge mit klammen Staatskassen nicht

Einspar-Hoffnungen? „Überhaupt nicht. Gottseidank.“

Bürger sollen ihre Stadt gestalten – und auf die Sprünge helfen soll ihnen dabei die im April gegründete Bürgerstiftung. Kürzlich trafen sich die Aktiven, um nächste Schritte festzuklopfen (siehe Kasten). Mit dabei: Hans-Christoph Hoppensack, einst Staatsrat im Sozialressort, jetzt Vize-Vorsitzender der Bürgerstiftung.

taz: Die Realität scheint längst nicht reif zu sein für die Stiftungsziele. Beispiel Beiräte: Eine Veränderung des Beiräte-Gesetzes hin zu mehr Rechten ist gerade erst gescheitert. Jetzt fangen Sie wieder von vorne an, und das noch kleinteiliger. Wie soll das gehen?

Hans-Christoph Hoppensack: Wir sind gespannt, was draus wird. Wir werden unser großes Programm der Bürgerschaft geben ...

... die das Beirätegesetz erfolgreich hat scheitern lassen...

Stimmt. Demokratie ist eben eine langwierige Angelegenheit. Einmal gescheitert, zweimal gescheitert: Das ist kein Grund, es nicht nochmals zu versuchen.

In dem Memorandum ist von Stadtteilbudgets und Bürgerfonds die Rede. Was ist das?

Bisher gibt es ja nur so bescheidene Formen wie die Beiratsmittel. Das kann man ausbauen – wenn Beiräte mehr Rechte haben, dann muss dafür auch Geld her. Nur Mitreden reicht nicht, man muss auch Mitverantwortung haben und dann braucht man dafür auch Geld. Im Übrigen gibt es andere Formen, die man ausbauen kann. Das Programm „Wohnen in Nachbarschaften“ ist da ein gutes Beispiel. Wenn es das nicht schon gäbe, müsste die Bürgerstiftung es gleich in Gang setzen.

Weiter ist von einer Dezentralisierung der Sozialplanung die Rede. Was bedeutet das?

Die Sozialzentren – einst das Sozialamt – sollen sich über ihre bisherigen Aufgaben hinaus um die Entwicklung des Stadtteils kümmern. Sie sollen Anlaufstelle für alle werden, die sich im Stadtteil engagieren wollen.

Nun hört man ja von den Sozialzentren noch wenig Gutes. Wie sollen die ein Mehr an Aufgaben bewältigen?

Die Sozialzentren sind aus der Erde gestampft worden. Im Ressort haben wir die Idee jahrelang konzipiert, nun sind sie binnen Monaten installiert worden. Nun gut – die Zentren sind ja noch nicht mal ein Jahr im Gang und haben das meiste noch vor sich.

Im Memorandum ist viel von Mitverantwortung die Rede. Das klingt ein bisschen wie: Der Staat kann nicht mehr tun, jetzt seid ihr, die Bürger, mal dran.

Naja. Staat braucht man auf alle Fälle, und Stadt braucht man auch. Aber was läuft, bevor Senat und Bürgerschaft entscheiden, ist viel zu wenig ausprobiert. Bürger können sehr viel mehr als das, was ihnen bisher zugetraut und zugemutet worden ist.

Aber Sie würden nicht leugnen, dass es einen Zusammenhang zwischen knappen Finanzen und dem Aufruf zu mehr Bürgerbeteiligung gibt?

Natürlich gibt es den. Aber was soll man machen? Wenn alle Phantasie am Ende nicht viel bringt, wie man mit traditionellen Mitteln ein Thema bewältigt, dann muss man fragen: Was können Menschen selber machen?

Im Memorandum steht weiter, dass es elementare Aufgaben des Staates gebe, aber auch Aufgaben, die Bürger besser könnten. Was sind das für Aufgaben?

Zum Beispiel einen Kindergarten betreiben – nicht unbedingt besser, aber mindestens genauso gut.

Das sagen Sie ausgerechnet jetzt – jetzt, wo alle diskutieren, dass die Ausbildung von ErzieherInnen besser und der Kindergarten aufgewertet werden müsse? Das können Bürger besser als Profis?

Ich spreche von der Organisation, nicht davon, dass Bürger selber ehrenamtlich den Job von Erzieherinnen machen sollen. Ich gehe davon aus, dass jemand, der etwas selber machen will und kann, das auch tun soll. Dann braucht man den Staat zur Unterstützung, zum Rahmensetzen, zur Finanzierung – aber die Umsetzung geht ohne ihn.

Und Sie haben keine Angst um die Inhalte?

Da müsste man Grundansprüche – beispielsweise Mindestansprüche in Sachen Bildung – formulieren und eine Qualitätssicherung installieren. Aber in der Umsetzung kann es doch Vielfalt geben. Das ist ja auch vorgemacht worden, nämlich bei den Eltern-Kind-Gruppen.

Die Stiftung warnt, Engagement dürfe nicht als „billiger Jakob des Sozialstaats“ missbraucht werden. Was für Befürchtungen stecken dahinter?

Natürlich die Befürchtung, dass der Staat sich zurückzieht. Das geht nicht. Er muss sich zu seiner Verantwortung weiterhin bekennen. Wir haben das so genannt: Die Gewährleistungsverantwortung bleibt immer beim Staat, aber die Durchführungsverantwortung kann er auch den Bürgern überlassen.

Die Stiftung ist mit 300.000 Euro ausgestattet. Was machen Sie damit?

Das ist unser Kapital, mit dessen Zinsen wir arbeiten können. Diese Zinsen sind derzeit auch unsere einzige Quelle. Das reicht nicht weit. Aus der Bürgerstiftung wird in finanzieller Hinsicht nur was werden, wenn wir in absehbarer Zeit zu mehr Geld kommen. In den kommenden fünf Jahren wollen wir unser Kapital zumindest verdoppeln.

Stehen denn diesen 300.000 Euro von senatorischer Seite Einspar-Hoffnungen gegenüber?

Überhaupt nicht. Gottseidank.

Dann ist die Bürgerstiftung ein ziemlicher Luxus.

Zumindest ist es sehr großzügig.

Das kann sich Bremen doch eigentlich gar nicht leisten.

Eigentlich nicht. Aber es ist schön, dass es an dieser Stelle dann doch passiert.

Fragen: Susanne Gieffers