Anstatt der Touristen kamen Panzer

Palästina sollte ein Urlaubsparadies werden. Die Tourismusindustrie war auf einen Gästeansturm vorbereitet. Die Hoffnung währte nur kurz. Während viele Hotels ums Überleben kämpfen, ist das Royal Crown Suite Hotel in Ramallah ausgebucht

von YASSIN MUSHARBASH

Um die Mittagszeit herum ist Daniel Jafer so beschäftigt, dass er nicht einmal die Zeit für eine Tasse Kaffee findet. Der Koch stürmt in sein Büro und verlangt Geld für die Einkäufe. Im Foyer wartet eine Gruppe Hotelfachschülerinnen auf Informationen über das Royal Crown Suite Hotel. Und dann muss er noch herausfinden, ob an diesem Tag noch eine Ausgangssperre über Ramallah verhängt wird.

Insgesamt fünfzehn große Hotels gibt es in Palästinas heimlicher Hauptstadt Ramallah. Das Royal Crown Suite ist eines der größten und luxuriösesten. Daniel Jafer ist stellvertretender Direktor. Sein Hotel ist das einzige am Platz, dass zurzeit, inmitten der Intifada, umringt von israelischen Soldaten, bei ständigen Ausgangssperren und Abriegelungen, etwas Gewinn abwirft.

Das Restaurant musste Jafer wegen mangelnder Nachfrage schließen. Und reich wird mit dem Hotel im Moment auch niemand. Aber wenigstens sind 90 Prozent der Betten belegt, wenn auch zu Dumpingpreisen.

Von Jafers stressigem Arbeitstag kann der Hotelmanager Muayyad Shukri nur träumen. Sein ebenfalls in Ramallah gelegenes Best Eastern Hotel hat seit Beginn der Intifada vor zwei Jahren eine durchschnittliche Belegungsquote von 2 Prozent.

Das Best Eastern ist zwar ähnlich komfortabel wie das Royal Crown, liegt aber – unter den gegenwärtigen Bedingungen – auf der falschen Seite des Amtssitzes von Jassir Arafat. Wenn die israelische Armee den Amtssitz belagert, kann man das vom Best Eastern aus zwar sehen und hören. Man gelangt aber nicht durch die Absperrungen an den Ort des Geschehens.

Es ist deshalb selbst für Shukri verständlich, dass die internationalen Journalisten bei der Konkurrenz im Royal Crown absteigen. Denn Jafers Hotel liegt mitten in der Stadt. Für CNN ist das Grund genug, gleich eine ganze Etage anzumieten.

Normale Touristen aber, Reisegruppen gar oder wenigstens Pilger auf dem Weg zu den Sehenswürdigkeiten Palästinas, denen die Lage der Hotels egal wäre und von denen man vernünftige Preise verlangen könnte, gibt es zurzeit nicht.

Dabei ist alles vorbereitet: Hotelbetten und Restaurants, Mietwagen und Reisebüros für einen errechneten Ansturm von über drei Millionen Touristen pro Jahr stellten palästinensische und internationale Investoren nach dem Oslo-Abkommen von 1993 bereit. Tourguides und Übersetzer wurden ausgebildet.

Palästina sollte ein Urlaubsparadies werden: Mittelmeersandstrand in Gaza, biblische Sehenswürdigkeiten in Betlehem und Jericho, Partys in Ramallah. Und eine Zeit lang ließ es sich vom Tourismus auch tatsächlich ganz gut leben. Zwei Wochen Israel, drei Tage Palästina – so sah bis zum Beginn der Intifada das Standardreiseprogramm der internationalen Anbieter aus.

Ein Teil des Kuchens blieb also für die gerade autonom gewordenen Palästinensergebiete. „Manchmal waren die Hotels in Bethlehem ausgebucht, und die Touristen sind hierher ausgewichen“, erinnert sich Muayyad Shukri an bessere Zeiten. Sogar israelisch-palästinensische Friedensverhandlungen fanden im Sommer 2000 noch in der „Jaffa-Hall“ statt.

Aber dann kamen die Intifada und, noch schlimmer, die israelischen Luftangriffe – und die Umsätze der palästinensischen Tourismusindustrie fielen von einem Tag auf den nächsten um 80 Prozent. Kein Mensch fährt zum Urlaub in ein Krisengebiet.

Die israelischen Bombardements richteten an der tourismusrelevanten Infrastruktur Schäden in Höhe von 600 Millionen US-Dollar an, ließ der stellvertretende Tourismusminister, Ahmad Hejazi, errechnen. Besonders betroffen ist Bethlehem, wo man sich wegen Millenniumsfeiern auf den Ansturm von doppelt so vielen Pilgern wie in guten Jahren gerüstet hatte. Jetzt stehen die Hotels leer, einige sind zerbombt.

Mit dem Tourismussektor als Motor der palästinensischen Wirtschaft ist vorerst nicht zu rechnen. Selbst wenn der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern heute endete, da sind sich die beiden Hotelmanager einig, würde es Jahre dauern, bis Palästina für den Massentourismus als Ziel wieder attraktiv sei.

„Das Schlimmste ist, dass wir nichts daran ändern können“, klagt Shukri. Das Tourismusministerium wirbt zwar auf jeder noch so kleinen Messe für das Reiseziel Palästina. Aber es kommt niemand. Allenfalls politisch motivierte Alternativtouristen finden zurzeit noch den Weg nach Palästina.

Noch ein, zwei Jahre, schätzen die meisten Hoteliers, lässt sich das Minusgeschäft durchhalten. Dann gehen die Lichter aus. Oder gar nicht erst an: In Ramallah wird seit zwei Jahren an einem Mövenpick-Luxushotel gebaut. Ob es jemals eröffnet wird, steht in den Sternen.