fix bedankt und nix wie weg von FANNY MÜLLER
:

Als ich vorige Woche bei der ältesten Nichte einhüte, weil sie weggefahren ist, klingelt es. Morgens um sieben Uhr. Kann ja nur ein Handwerker sein. Ich öffne die Tür im Bademantel und den Mund voller Zahnpasta. Und tatsächlich: es ist ein „Mitarbeiter“ der Stadtwerke von K., ein schon älterer junger Mann, dessen Unterlippe einem mitteilt, dass wir alle für sein Leid – was auch immer das ist – verantwortlich seien. Er komme wegen der Stromrechnung. Die Nichte erwartete seinen Besuch schon, denn sie hatte eine Stromrechnung bekommen, laut derer sie 1.340 Euro nachzahlen sollte. Ein stolzer Preis für eine 45-Quadratmeter-Wohnung, in der sich weder ein Trockner, eine Mikrowelle, ein Geschirrspüler noch ein Massagestab befinden. Als sie wegen der Rechnung bei den Stadtwerken anrief, wurde sie gefragt: „Und wie viele Lampen haben Sie?“ Sie war nicht übel versucht zu sagen, dass sie kürzlich ein Lampengeschäft in der Wohnung aufgemacht hätte, nahm aber davon Abstand, weil sie den Humorpegel in den Stadtwerken nicht unnötig strapazieren wollte.

Der junge Mann fragt jetzt nach dem Gaszähler. Ich sage, dass es sich um die Stromrechnung handle. Er: „Ja.“ Und fragt wieder nach dem Gaszähler. Da wir so nicht weiterkommen, zeige ich ihm den Gaszähler. „Na ja, wenn Ihre Heizung aber mit Gas läuft, das ist ja teurer geworden …“

Ich, immer noch mit Schaum vorm Mund, zeige ihm auf der Rechnung, die er die ganze Zeit in der Hand hält, die betreffenden Zeilen: „Stromverbrauch 9.034 Kw“, daneben ein handschriftlicher Kommentar: „Ist ein bisschen viel, oder? Wir sollten das besser noch mal überprüfen.“ Er starrt auf das Papier, als versuche er gerade, alte Francs in Euro umzurechnen, während ihm in Monte Carlo soeben die Brieftasche geklaut wird, und sagt: „Wo ist denn hier der Stromzähler?“ Endlich! Der Groschen ist gefallen! Oder heißt das jetzt Cent?

Der Stromzähler ist im Keller, wohin ich ihn aber wohlweislich nicht begleite, weil da die Mücken herumsausen wie blöd und einen Krach machen wie eine Carrerabahn. Der Mann kommt gleich wieder zurück, kratzt sich an zwei oder drei Mückenstichen auf seiner Wange und am … also nicht wählerisch, was die Stellen angeht, so was kann einem vor dem Frühstück ganz schön auf den Sack gehen, und sagt: „Für den Raum brauche ich einen Schlüssel.“ Ich weise ihn darauf hin, dass an dem betreffenden Raum ein Zettel hängt „Schlüssel bei den Stadtwerken“. Hat er aber nicht gesehen und fragt dann unglücklich, was er nun machen solle. Ich, immer noch Schaum vorm Mund, schlage ihm vor, dass er den Schlüssel jetzt wohl holen müsse. Er denkt eine ganze Zeit lang nach und sagt tief aufseufzend: „Ja. Dann müssen wir den wohl holen.“ Wir! Ich verkneife mir gerade noch zu sagen: „Brauchen Sie dafür ’nen Bodyguard?“ – „Aber heute schaffe ich das nicht“, sagt er aufatmend, tippt an seine Mütze und trollt sich die Treppe runter. Wie der Zimmermann sagt: Fix bedankt und nix wie weg. Den werd ich mir auch noch konfirmieren!

Jedenfalls konnte ich mir jetzt die Zähne fertig putzen.