Nicht mosernd ins Abseits

Samstags sprach der Kanzler ein Machtwort, gestern gaben sich die Krankenkassen solidarisch: Beiträge werden doch nicht im Eiltempo erhöht. Grüne und SPD suchen Rentenkompromiss

aus Berlin JEANNETTE GODDAR

So eilig die Krankenkassen zu Krisensitzungen gerufen hatten, so unspektakulär gingen diese zu Ende. Als erste trat die Barmer Ersatzkasse gestern vor die Presse und erklärte: Die Lage sei kritisch, so der Vorsitzende Eckart Fiedler, aber „der Beitragssatz bleibt stabil“. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse sowie die Brandenburger AOK verließen mit selbigem Resultat die Sitzung. Die Techniker Krankenkasse und die Hannoveraner KKH hatten noch am Freitag erklärt, nicht handstreichartig vor dem 7. November die Beiträge zu erhöhen.

Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, die mit ihrem eilig geschnürten Sparpaket 3,5 Milliarden Euro sparen will, bekam am Sonnabend Rückendeckung vom Bundeskanzler. „Stellt euch nicht mosernd ins Abseits, sondern macht bei der Kostenreduzierung mit“, forderte Gerhard Schröder die Krankenkassen beim nordrhein-westfälischen SPD-Parteitag auf. Auch Ärzte- und Apothekerverbänden riet er zur Mäßigung: Die Einkommen beider Berufsgruppen lägen „nicht unwesentlich über dem Sozialhilfebereich“. Ärztevertreter hatten angesichts der angekündigten Nullrunde bereits vor einem „Ende der angemessenen Patientenversorgung“ gewarnt.

Ob die Krankenkassen nun den Solidaritätsappell erhöht haben oder schlicht in Zukunft eine der weit reichenden Ausnahmeregelungen nutzen, um ihre Beiträge trotz der Nullrunde zu erhöhen, bleibt abzuwarten. Fest steht: Innerhalb der rot-grünen Koalition halten sich die Differenzen in der Gesundheitspolitik in Grenzen. Die Grünen halten nach Angaben ihrer Fraktionsvorsitzenden Krista Sager Beitragserhöhungen zwar für das „falsche Signal“, fordern aber ebenfalls die Kassen zur Solidarität auf. Schmidt bekräftigte am Wochenende, das Sparpaket sei vor allem eine „Erste-Hilfe-Maßnahme“. 2004 soll die lange angekündigte große Gesundheitsreform folgen. Heute wollen die Koalitionsspitzen beraten. Morgen stimmen die Fraktionen ab. Am Donnerstag ist erste Lesung im Bundestag. Stimmt der zu, könnte das Vorschaltgesetz am 1. Januar in Kraft treten. Im Bundesrat zustimmungspflichtig sind nur wenige Teile des Sparpakets.

Größer sind die rot-grünen Differenzen in der Rentenpolitik. Während Schmidt und SPD-Fraktionschef Franz Müntefering darauf bestehen, den Rentenbeitrag auf 19,5 Prozent anzuheben, wiederholten die Grünen ihre Forderung nach Nachbesserung. Die finanzpolitische Sprecherin Christine Scheel machte aber auch einen Kompromisvorschlag: Wenn man die Beiträge auf 19,5 Prozent anhebe, was die Grünen eigentlich ablehnen, solle wenigstens die Beitragsbemessungsgrenze stabil bleiben. Letztes ist die Bruttolohngrenze, ab der die Rentenbeiträge nicht weiter steigen.