Zurück in die Wikingergesellschaft

Im einstigen Musterland für Toleranz und den Umgang mit Minderheiten wird heute offen ausländerfeindliche Politik gemacht. Migrantenorganisationen warnen davor, dass der dänische Weg Vorbild für eine restriktive europäische Einwanderungspolitik werden könnte.

von BASHY QURAISHY

Fast ausnahmslos hatten die politischen Parteien Dänemarks im letzten Wahlkampf die Ausländerkarte gezogen und auf die Themen Asyl, Einwanderung, Familiennachzug, ethnische Minderheiten und Islam gesetzt. Der Alptraum, den die Minderheiten und ihre Vertreter nach der vor allem auf liberal-konservativer Seite hart geführten öffentlichen Debatte befürchtet hatten, ist inzwischen Wirklichkeit geworden. Es überraschte nicht, als die im November 2001 neu gewählte dänische Regierung dem Parlament bereits im Januar ein Ausländergesetz zur Abstimmung vorzlegte, das im Wesentlichen auf dem Wahlprogramm der rechten Danish People‘s Party basiert. Als Bertel Haarder, Chef des umgehend eingerichteten Ministeriums für Flüchtlinge, Einwanderer und Integration, die Vorschläge nicht ohne Zynismus unter dem Titel „Eine bessere Integration“ der Öffentlichkeit vorstellte, konnte er sich breiter Unterstützung durch seine Ministerkollegen, prominente Medienkommentatoren und Kommunalpolitiker gewiss sein. Mit dem Gesetzespaket verbunden war überdies das Zugeständnis an die Rechte, die Behörde für ethnische Gleichstellung abzuschaffen, die Zuschüsse für das Dänische Menschenrechtszentrum zusammen zu streichen und dessen Direktor Morten Kjaerum zu entlassen.

Welche sind die Eckpunkte der neuen dänischen Einwanderungspolitik? Ein dauerhafter Aufenthaltsstatus kann nun mehr erst nach sieben Jahren erlangt werden; in dieser Zeit dürfen keine staatlichen Unterstützungsleistungen in Anspruch genommen werden. Der Nachzug von EhegattInnen aus dem Ausland ist nur möglich, wenn diese mindestens vierundzwanzig Jahre alt sind und der in Dänemark lebende Partner eine Sicherheitsleistung von 50.000 Kronen (1 Euro= 7,429 DKK) hinterlegt, ein monatliches Einkommen von 16.000 Kronen und eine enge Bindung an Dänemark nachgewiesen hat. Nachgezogene EhegattInnen können abgeschoben werden, wenn die Ehe vor Ablauf von sieben Jahren scheitert. Das Recht, die Eltern aus dem Ausland nachziehen zu lassen, wurde abgeschafft. Die Einbürgerung ist erst nach neun Jahren möglich und ist an zahlreiche Auflagen gebunden, etwa eine schriftliche Loyalitätserklärung, eine Erklärung über mögliche Vorstrafen im Herkunftsland sowie das Bestehen eines Sprachtests.

Gravierende Änderungen gab es auch im Asylrecht. Personen, die politisches Asyl erhalten haben, müssen nun sieben Jahre lang auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis warten. Bessert sich nach Einschätzung der Behörden die Situation im Herkunftsland während dieser Frist, kann der Aufenthalt beendet werden. In der Integrationspolitik hat sich ebenfalls ein Paradigmenwechsel vollzogen. So wurde das Recht auf muttersprachlichen Unterricht abgeschafft. Weiterhin wird geprüft, ob es künftig noch Fördermittel für Privatschulen ethnischer Minderheiten geben soll. Die christliche Religion steht wieder an erster Stelle in den Schulen.

Für die ethnischen Minderheiten sind diese Verschärfungen eindeutig politisch, ideologisch und wirtschaftlich begründet. Sie sehen darin einen Schritt in eine gefährliche Richtung: Sind die Opfer heute ethnische Minderheiten, können sie morgen schon Obdachlose, Alleinerziehende, ältere Menschen, Studenten, Arbeiter und alle diejenigen sein, deren Stimme nicht gehört wird. „Man fragt sich, ob das Diskriminierung oder Rassismus ist, oder ob Kopenhagen nicht schon mit dem Faschismus flirtet“, schrieb Stephen Smith in der britischen Zeitung „The Guardian“ am 5. Juni diesen Jahres.

Eine unmittelbare Auswirkung des Rechtsrucks spürten zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, Bürgerinitiativen und Migrantenorganisationen, da ihnen die Zuschüsse für ihre Arbeit entzogen wurden. Die einzige unabhängige Behörde, das dänische Antidiskriminierungsbüro DRC, musste sein Personal entlassen, da der Innenminister die Streichung der Gelder ankündigte.

Auch auf dem Arbeitsmarkt gibt es Veränderungen: Das Gehalt von Zuwanderern darf im ersten Beschäftigungsjahr zwischen dreißig und fünfzig Prozent unterhalb des üblichen Tarifes liegen. Künftig wird es damit zwei Klassen von Arbeitnehmern geben. Damit werden Zuwanderer wirtschaftlich noch weiter abgehängt, und ihre untertarifliche Bezahlung wird auch das Mindesteinkommen des durchschnittlichen dänischen Arbeiters drücken. Diese neue Tarifpolitik treibt einen weiteren Keil zwischen Einheimische und Zugewanderte, der Konflikte und Rassismus noch verstärken wird. Der Mangel an Arbeitsplätzen und die Schwierigkeit, unter den diskriminierenden Regelungen zum Familiennachzug eine Familie zu gründen, werden gerade junge, gebildete und gut integrierte Menschen dazu veranlassen, eher in andere Länder abzuwandern.

Dänemark hat in der Vergangenheit viel Wert darauf gelegt, das Image einer toleranten, liberalen und humanen Gesellschaft aufzubauen. Die aktive Menschenrechtspolitik und das Eintreten gegen Apartheid in Südafrika, die Verurteilung des Vietnamkriegs und der Diskriminierung von Schwarzen in den USA haben Dänemark weltweite Anerkennung eingebracht. Hinter dieser schillernden Fassade versteckt sich jedoch eine fehlgeschlagene Integrationspolitik im eigenen Lande, wo Angehörige ethnischer Minderheiten, vor allem muslimischen Glaubens, trotz ihrer Bemühungen, Teil der dänischen Gesellschaft zu werden, nie wirklich eine Chance dazu hatten. Die neue Integrationspolitik hebt auf die Überlegenheit der dänischen Kultur und westlicher Werte ab. Diese unnötige Betonung des „Dänischseins“ wird die Minderheiten künftig noch weiter entwurzeln und revoltieren. Reaktionären Kräften wird sie eine Legitimation dafür bieten, den Integrationsprozess weiter zu behindern.

Es ist ein Skandal, dass die neue Regierung es ausgerechnet der Danish People‘s Party überlassen hat, über das Schicksal der ethnischen Minderheiten zu entscheiden, und damit vor jenen Kräften kapituliert, die Dänemark monokulturell, monoethnisch und monoreligiös wollen - kurzum eine weiße, christliche Wikingergesellschaft.

Am 1. Juli hat Dänemark die EU-Ratspräsidentschaft übernommen. Sollte Dänemark dies nutzen, um die von der Kommission vorgelegten Richtlinienentwürfe etwa zur Familienzusammenführung neu zu diskutieren und die europäischen Partner auf die dänische Linie einzuschwören, könnte eine restriktive europäische Einwanderungspolitik Wirklichkeit werden. Für Migranten aus Drittstaaten würde dies auf unabsehbare Zeit bedeuten, ungleiche Menschen in einer undemokratischen Europäischen Union zu sein.

Übersetzung: VERONIKA KABIS

Bashy Quraishy ist stellvertretender Vorsitzender von POEM, der Föderation der ethnischen Minderheitenorganisationen in Dänemark, und Präsident des Europäischen Netzwerks gegen Rassismus, ENAR.