Kein Brot? Lasst sie Eidechsen essen

In Simbabwe werden Nahrungsmittel immer knapper und teurer. Die Wirtschaft zerfällt, die Regierung ist ungerührt

HARARE taz ■ Als Grace in ihrem Township „Highfield“ in Simbabwes Hauptstadt Harare eine lange Menschenschlange erspähte, stellte sie sich instinktiv dazu. Vor jedem Lebensmittelladen bilden sich heutzutage Schlangen, denn es gibt dort nur selten etwas zu kaufen und wenn, muss man sich beeilen, um nicht leer auszugehen. Sie stellte sich an, arbeitete sich nach vorne durch – und entdeckte, dass es sich um Trauernde handelte, die einem Toten die letzte Ehre erwiesen.

Ob Brot, Maismehl, Zucker, Speiseöl, Margarine, Milch oder Rindfleisch – für alles muss man heute in Harare anstehen. Auch für Autos, Benzin, Zigaretten und Bier. Die Simbabwer verbringen immer mehr Zeit mit Warten. Wenn man einmal bis in den Laden vorgedrungen ist, hat es keinen Sinn, nach einer bestimmten Brotsorte oder irgendeiner Marke zu fragen. Man nimmt, was da ist. Oft sind sämtliche Regale mit dem gleichen Produkt gefüllt. Wenn sie nicht leer sind.

Simbabwe, vor wenigen Jahren noch ein Einkaufsparadies im afrikanischen Vergleich und die Kornkammer des südlichen Afrika, ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Zerstörung der hauptsächlich von Weißen betriebenen kommerziellen Landwirtschaft durch die staatlich organisierten Besetzungen und Enteignungen haben die Wirtschaft zusammenbrechen lassen. Das Bruttosozialprodukt schrumpft jährlich um fünf Prozent. Agrarexporte gibt es kaum noch und daher hat die Regierung auch kaum noch Devisen, die nicht einmal ausreichen, um Strom und Treibstoffe zu kaufen. Das heißt, dass der Staat die dringend benötigten Nahrungsmittel nicht einführen kann – private Lebensmittelimporte sind in Simbabwe verboten. Auch andere Konsumgüter sind kaum noch zu haben, und viele Industriebetriebe haben schließen müssen.

Mit der Umsiedlung hunderttausender schwarzer Kleinbauern auf das enteignete Land weißer Großfarmer hat sich die Situation noch verschlechtert. Die Bauern bräuchten dringend Kapital für Saatgut, Dünger und Schädlingsbekämpfungsmittel – die Regierung gibt ihnen nichts. Aber auch diese Güter, die importiert werden müssen, sind knapp geworden, und die Bauern stehen Schlange für Lebensmittel, statt sich auf die Vorbereitung der Aussaat konzentrieren zu können, die mit dem Beginn der Regenzeit Ende Oktober einsetzen müsste.

„Bis Weihnachten wird die Lage unerträglich sein“, sagt ein Rechtsanwalt in einer Schlange vor einem Laden. „Dann gibt es überhaupt nichts mehr zum Einkaufen. Wenn ich zehn Jahre jünger wäre, würde ich auswandern. Alles in den Läden ist so teuer geworden, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie normale Menschen überleben.“ Die offizielle Inflationsrate lag im August bei 135,1 Prozent, wie die Regierung Anfang der Woche bekanntgab.

Viele Preise richten sich inzwischen nach dem Schwarzmarktkurs des US-Dollars, der mindestens 650 simbabwische Dollar wert ist – über elfmal so viel wie der offizielle Wechselkurs von 56. So kostet ein Flugticket von Harare nach London jetzt etwa 400.000 Dollar – 560 US-Dollar nach dem Schwarzmarktkurs, 7.140 US-Dollar nach dem amtlichen Kurs. Das Durchschnittsgehalt liegt bei 9.000 simbabwischen Dollar im Monat – 160 US-Dollar offiziell, 14 auf dem Schwarzmarkt.

Trotz der sich anbahnenden Katastrophe bleibt die Regierung von Präsident Robert Mugabe stur. Simbabwe, sagte er neulich auf einer Versammlung in der südlichen Stadt Chiredzi, habe so viele natürliche Ressourcen, dass es keine Hilfe brauche. „Wir sollten weitermachen, selbst wenn wir Eidechsen essen müssen“, rief der Präsident. Eidechsen stehen in Simbabwe normalerweise nicht auf dem Speiseplan. GODFREY KARORO