Für Ehrlichkeit am Ende

Der Bremer Theologe Klaus Dirschauer hat ein Buch für Trauerredner geschrieben

„Die Kirche ahndet den Austritt mit der Verweigerung der Beerdigung“, stellt Klaus Dirschauer fest, 66, Theologe und einst Ausbildungsreferent der Bremischen Evangelischen Kirche. Deshalb werden Trauerredner gebraucht. Dirschauer hat für sie ein Lehrbuch geschrieben*.

taz: Gibt es ein Rezept für die gute Trauerrede?

Das Wesentliche ist, in der Rede die eigenen Lebensanteile der Zuhörenden auszudifferenzieren. In Todesanzeigen heißt es oft: ‚Mein lieber Mann, unser guter Vater, Schwiegervater ...‘ – das ist eigentlich ein Massenbegräbnis. Ein Redner soll stattdessen die Zuhörenden persönlich ansprechen. Die Rede soll dann die Trauersituation erkunden: Beim Tod eines 99-Jährigen kann es in der Familie ein Einverständnis geben. Bei einem tödlich verunglückten 19-Jährigen gibt es das nicht. Dann soll der Redner die Lebensgeschichte als Familiengeschichte aufnehmen. Und drittens geht es um den Transzendenzhorizont. Das heißt, das, was die Erfahrung des Todes überschreitet, anzusprechen.

Oha.

Wenn die kirchliche Auferstehungshoffnung ausfällt, dann bleiben noch drei Möglichkeiten: der Bezug auf die ewige Wiederkehr des Gleichen, wie bei den Jahreszeiten. Oder die Vorstellung der Unsterblichkeit der Seele. Oder das Aufgehobensein im Nachruhm, in der Erinnerung.

Sie plädieren auch für mehr Ehrlichkeit in den Reden?

Ich erwarte von der Trauerrede, dass sie keinen Kitsch bringt. Das erlebe ich leider oft bei Trauerrednern. In meinem Lehrbuch sage ich, der Redner hat das Verb zu suchen, das das Sterben ausgemacht hat. Wenn sich jemand zu Tode getrunken hat, muss man das nicht sagen, aber man kann statt „heimgehen“ oder „schlafen“ „umkommen“ oder „zu Tode kommen“ sagen. Dann kommt Ehrlichkeit hinein.

Sie sind Theologe, aber Sie helfen Trauerrednern. Platt gesagt: Sie unterstützen die Konkurrenz. Was sagt denn die Kirche dazu?

Ich kann nicht warten, bis es der Kirche gefällt wahrzunehmen, dass sie die Domäne Bestattung verloren hat. Mir geht es um die Menschen. Um mit meiner Grundüberzeugung zu schließen: Weshalb begeht die Kirche, die so leidenschaftlich das Leiden, Sterben und die Auferstehung ihres Herrn angeht, sich nicht in gleichem Maße zu den leidenden, sterbenden und trauernden Menschen, die seinen Namen tragen?

Fragen: Susanne Gieffers

*„Das Leben wird durch das Sterben wachgehalten“, ersch. im Fachverlag des dt. Bestattungsgewerbes, 37 Euro