Verhandlung im Hochsicherheitstrakt

Unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen beginnt heute der lang erwartete Prozess gegen den Schwerverbrecher Frank Schmökel in Neuruppin. Die Richter müssen klären, ob er schuldfähig ist oder nicht. Ihm droht lebenslange Haft

Hundertschaften jagten ihn vor zwei Jahren, Hundertschaften werden ihn bewachen auf seinem Weg ins Landgericht Neuruppin. Unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen beginnt heute der Prozess gegen Frank Schmökel. Der 40-jährige Schwerverbrecher, dem die Anklage Mord, versuchten Totschlag in drei Fällen und Raub mit Todesfolge vorwirft, könnte erneut versuchen zu fliehen.

Aus Sicherheitsgründen zieht die Dritte Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) für die Verhandlung ins Gebäude des Landgerichts Neuruppin. Anders als im maroden Justizbau an der Oder kann Schmökel dort über einen separaten Gang direkt in den Verhandlungssaal geführt werden. Gemessen am Frankfurter Verhandlungsort gleicht das neue Gericht in Neuruppin einem Hochsicherheitstrakt.

Die „sitzungspolizeiliche Anordnung“ sieht zweifache Einlasskontrollen zum Sitzungssaal vor, die alle Zuhörer, Sachverständige, Zeugen, Verteidiger, Staatsanwälte und das Gericht über sich ergehen lassen müssen. Alle Personen werden abgetastet und mit Metalldetektoren überprüft. Alle Taschen werden gefilzt, „dabei ist besonderes Augenmerk auf Kugelschreiber zu richten“, heißt es in der Anordnung – James Bond lässt grüßen. Die Ausweise aller Zuhörer werden „zur Identifizierung etwaiger Störer“ abgelichtet.

Frank Schmökel gilt als äußerst gefährlich. Wegen mehrfachen sexuellen Missbrauchs von Kindern und eines Mordversuchs wurde er zuletzt 1994 zu 14 Jahren Haft verurteilt. Am 25. Oktober 2000 hatte sich der damalige Vollzugsinsasse der Neuruppiner Nervenklinik während eines genehmigten Besuchs bei seiner kranken Mutter in Strausberg mit einem Küchenmesser brutal den Weg in die Freiheit gebahnt.

Das war der sechste Ausbruch des Triebtäters. Er endete nach einer 13-tägigen bundesweiten Fahndungsaktion mit einem Bauchschuss bei Bautzen. Seither sitzt Schmökel in einer eigens für ihn installierten Zelle in der Landesklinik Brandenburg – nicht hinter Gittern, sondern hinter Panzerglas, weil er bei zwei seiner Fluchten die Gitterstäbe durchgesägt hatte.

Dass Schmökel damals trotz seiner Vorgeschichte wieder in den Genuss von Lockerungen und schlecht bewachten Ausflügen kam, hatte in der Öffentlichkeite einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Daraufhin stellte eine Expertenkommission das gesamte System des Maßregelvollzugs in Brandenburg auf den Prüfstand. Nach den Vorschlägen dieses Gremiums wurde die neue Forensische Klinik in Brandenburg/Havel gebaut. Knapp siebzig Zimmer sind bewohnt, in einem wohnt Schmökel.

In dem lang erwarteten Prozess soll ein neu bestelltes psychiatrisches Gutachten die Schuldfähigkeit des Gewaltverbrechers klären. Falls der Gutachter den Angeklagten für schuldunfähig hält und das Gericht dieser Auffassung folgt, müsste Schmökel, der als „nicht therapierbar“ gilt, freigesprochen werden. In diesem Fall können die Richter die Einweisung in eine geschlossene psychiatrische Klinik beantragen. HANNO CHARISIUS