Ein verwurstetes Ekelgefühl

Mach was aus deiner Phobie: Der Künstler Jan Petersen hat was gegen Billigwurst und gegen Nazis und schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe – er schneidet Hakenkreuze in Lyoner und Salami. Damit produzierte der 33-Jährige inzwischen einen Skandal

von JANA SITTNICK

Jan Petersen ekelt sich vor Wurst. Besonders vor der in Scheiben geschnittenen, in Plastik geschweißten Billigwurst aus dem Supermarkt. Für ihn ist das vermanschte Körperpampe aus Massentierhaltung, mit ungenießbaren Anteilen, die auf der Packung nicht deklariert sind. Darüber hinaus muss er an den „degenerierten menschlichen Jagdtrieb“ denken, der reduziere sich hier auf den Griff ins Kühlregal. Das kann nicht gut sein.

Jedem seine Phobie, könnte man Laisser-faire-mäßig sagen. Nur: Petersen macht was draus. Er verwurstet sein Ekelgefühl sozusagen, fügt politisches Statement und Schockeffekte hinzu und hat so, ruck, zuck, auch einen kleinen Skandal produziert.

Vor einem Jahr begann Petersen mit seiner Kulturkritik. Er kaufte „Echtwurstpackungen“ von Lyoner, Zungenwurst, Corned Beef, stach Luftlöcher hinein, hing sie in kleinen quadratischen Holzrahmen an die Wand seiner Ateliergalerie und gab ihnen Namen wie „Bindegewebe mit OP-Abfällen“ oder „Lungenpuste mit Fingernägeln“. Mittlerweile haben die Wurstobjekte ein munteres Eigenleben entwickelt: Grün-gelb-violett schimmern und gammeln sie vor sich hin. Petersen erzeugt so selbst Ekel. Angesichts der plakativ verfaulenden Wurst geht man sofort auf Nulldiät.

Doch inzwischen betreibt der 33-jährige Objektkünstler auch Antiwurstpropaganda mit verbotenen Bildern. Jan Petersen hat nämlich Hakenkreuze aus Wurst gemacht und diese öffentlich zum Verkauf angeboten. Damit, so sagt er, wolle er Kritik üben an der Vergangenheitsbewältigung, die für ihn lediglich eine Verdrängung sei. Indem er das Hakenkreuz zeige, gehe er gegen die Blindheit gegenüber dem alten, von den Nazis ideologisch missbrauchten Symbol vor, meint er.

Die Polizei sieht das anders. Vor kurzem haben Ordnungshüter die Hakenkreuzwürste einkassiert. Gegen Petersen läuft eine Anzeige wegen der „Darstellung verfassungsfeindlicher Symbole“. Petersen sieht sich seiner künstlerischen Freiheit beraubt. Tatsächlich ist das Hakenkreuz viel älter als der Faschismus. „Svastika“, so der ursprüngliche Name des Hakenkreuzes, bezeichnet eines der ältesten mythologischen Zeichen. Als links- oder rechtsdrehendes Sonnenrad steht es für die zyklischen Bewegungen und Regenerationen des Kosmos. Auf Sanskrit bedeutet es „heilbringend“. In Indien und Tibet findet man das Kreuz noch heute als Glücksbringer an Hauswänden und in Tempeln. Seitdem die Nazis aber mit dem Hakenkreuz als Emblem ihre Unheil trieben, ist es offiziell verboten.

Jan Petersen will nun gegen diese „Deformation“ vorgehen. In temporären Galerien und auf dem Festival „Kunstkreuz“ inszenierte er morbide Gastmahle mit aufgeschnittenen Puppenköpfen und Nazi-Ikonografie. In seiner Ateliergalerie bastelte er verfaulende Wurstbuttons und eine „Nazi-Rind/Nazi-Schwein“-Serie. Dazu schnitt er Hakenkreuze in Salamischeiben hinein und legte sie mit Lyoner aus. Auf der Rückseite der mit blauweiß karierten Deckchen unterlegten, eingeschweißten Wurstscheiben stand „Vorsicht Kunst!“, dazu die Adresse des Künstlers und der Slogan „Kein Vergeben, kein Vergessen“.

Jan Petersen zeigte sie auf dem Kunstmarkt am Boxhagener Platz, wo er seit zwei Jahren einen Stand betreibt. Bevor die Ordnunghüter kamen, hatte der Künstler ein dreiviertel Jahr Zeit, die Reaktionen der Kunstmarktbesucher zu testen. „Viele Leute waren beeindruckt“, gibt er zu, „und viele ältere waren schockiert, sagten, das darf nicht sein.“ Gedanken an den Holocaust hätten sich sofort eingestellt, aber auch gezielte Vorwürfe.

„Im Sommer haben mich zwei ältere Frauen zur Rede gestellt, die meinten, das sei ,Judenfleisch‘, das ich hier zeige, und ob ich mich über die Opfer lustig machen wolle.“ Das habe ihn sehr getroffen. Immer wieder habe er darauf aufmerksam gemacht, auch die Rückseite zu lesen, die Satire zu verstehen, den Aufruf.

„Glatzen in Lonsdale-T-Shirts“, so Petersen, hätten rumgemault, ohne etwas zu tun. Offensiver wäre da ein Antifa-Jünger gewesen, der ihn verprügeln und seine „Scheißnaziwürste“ mitnehmen wollte. Jan Petersen wusste, was er tat, und er weiß, dass es albern ist, jetzt den Empörten zu mimen. „Ich trage die Konsequenzen und die Kosten.“

Er wünschte, die Ordnungshüter könnten ein wenig differenzieren zwischen dem bloßen Abbilden verfassungsfeindlicher Symbole und seiner Arbeit. Aber dafür sind sie nicht bekannt.

Jan Petersen steht immer sonntags auf dem Kunstmarkt Boxhagener Straße, Friedrichshain.