Arbeitsamt in warmem Licht

Die Idee ist nicht neu: Was der deutsche Sender „Neun Live“ plant, läuft in Argentinien bereits erfolgreich. Dort gibt es in der Unterhaltungssendung „Recursos Humanos“ Jobs für Arbeitslose

aus Buenos AiresINGO MALCHER

Néstor Ivarra ist ein argentinischer Galan. Nachdem die Maskenbildnerin von ihm abgelassen hat, sitzt er auf einem klapprigen Bürostuhl und faltet sorgfältig sein dunkelrotes Reverstuch zusammen. Denn Aussehen ist alles im argentinischen Fernsehen.

Ivarra (im Foto rechts) ist eine Bildschirmlegende. Es gibt kaum etwas, das er noch nicht moderiert hat. Nachrichten, Spielshows. Talksendungen. Doch was er in dieser Saison macht, ist auch für ihn neu. „Es reflektiert die Situation in unserem Land“, sagt er. Ivarra moderiert die Sendung „Recursos Humanos“ auf Argentiniens wichtigstem Fernsehsender Canal 13. Nicht „Wer wird Millionär?“, sondern „Wie kriegt man einen Job?“ lautet dann die Frage: Jeden Nachmittag um 17.00 Uhr konkurrieren zwei Arbeitslose um eine Stelle. Wer am Ende live den Arbeitsvertrag unterzeichnet, entscheiden die Zuschauer per Telefon.

Der Trend scheint auch in Deutschland aktuell zu sein. Das meint man zumindest beim Billigsender Neun Live. Die Münchner kündigten an, auch sie wollten schon bald Arbeitslose aufeinander loslassen. – Nicht eben zur Freude von Ivarra und seinem Team. „Wir dachten immer die Deutschen würden sich an die Gesetze halten und nicht die Dinge anderer Leute nachmachen“, sagt der Moderator. Der Grund: Weder Neun Live noch die Münchner Produktionsfirma Neue Pallas Entertainment haben von den Argentiniern die Rechte für die Sendung erworben. So sieht es zumindest der Geschäftsführer der brasilianischen Produktionsfirma „Imagen Real“, Oscar Obregón. Für ihn ist das deutsche Jobsuche-Format schlicht eine Kopie. Denn erst vor kurzem unterschrieb Obregón mit „Sony Pictures Television International (SPTI)“ einen Vertrag zur Vermarktung des Formats. Im Oktober wurde „Recoursos Humanos“ auf der TV-Programmmesse MipCom in Cannes der internationalen Fernsehwelt vorgestellt.

Bei SPTI hält man sich zurück. Aber Obregón sagt: „Die Anwälte werden das übernehmen.“ Denn für SPTI und die „Recursos-Humanos“-Macher geht es um bares Geld. Bei jedem Lizenzverkauf bleibt ein Viertel der der Erlöse bei SPTI, der Rest wird nach Argentinien überwiesen.

Und Geld können Obregón und seine Firma gut gebrauchen. Denn was als Sendungskonzept auf den ersten Blick zynisch erscheint, ist aus der Not geboren. Die 40 Redakteure von „Recoursos Humanos“ waren selbst arbeitslos – bis sie die Idee zu der Sendung hatten. Fast alle hatten zuvor in der Nachrichtenredaktion des Senders „América“ gearbeitet, der wegen anhaltend schlechter Geschäfte über 80 Mitarbeiter entlassen musste.

Und der Arbeitsmarkt für Journalisten in Argentinien ist eng. Fast alle Zeitungen und Fernsehsender haben in den vergangenen zwei Jahren massenhaft Angestellte entlassen. Der Werbemarkt kriselt, arbeitslose Journalisten haben kaum Perspektiven.

Es sei denn, sie schaffen sie sich selbst. Jede Woche saßen Obregón und seine ehemaligen Kollegen beisammen: „Wir haben uns gefragt, was wir als Arbeitslose gerne im Fernsehen sehen wollten, und so kamen wir auf die Idee: eine Sendung, die Jobs vermittelt“, sagt Obregón.

Vielleicht liegt es an der Erfahrung der übergangsweise arbeitslosen Macher, dass aus „Recursos Humanos“ keine Krawallsendung geworden ist. Die beiden Kandidaten konkurrieren nicht live vor der Kamera. Sie müssen auch keine Quizfragen beantworten oder Vorstellungsgespräche führen. Die Regie gleitet schon eher ins Kitschige ab. Ivarra gibt den alten Kumpel, während seiner Interviews läuft sanfte Musik im Hintergrund, wie man sie von deutschen Bahnhofstoiletten kennt.

Auch das Studio ist in warmen Farben ausgeleuchtet, auf der Tribüne sitzen Mutter, Vater und Geschwister. „Wir zeigen die Lebensgeschichte der Arbeitslosen, bei uns hören sie auf, eine Nummer zu sein“, sagt Ivarra. In Filmbeiträgen werden die Kandidaten vorgestellt, sie dürfen von ihrer Liebsten schwärmen und von ihren Hobbys erzählen.

Und weil Ivarra ein guter Mensch sein will, gibt es meistens keine Verlierer, sondern zwei Jobs zu gewinnen. In 119 Sendungen wurden bislang 242 Arbeitsverträge unterzeichnet.