Der Neue will neutral bleiben

Der Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks wählte den ZDF-Journalisten Helmut Reitze als Nachfolger von Klaus Berg zum Intendanten. Der Wunschkandidat der CDU spricht sich gegen ein Werbeverbot für die öffentlich-rechtlichen Sender aus

Reitze findet es wichtig, dass auch mal ein Intendant aus dem Programm kommt

aus Frankfurt HEIDE PLATEN

Der Mann mit der Fliege ist nicht unbedingt eine Geschenkpackung. Das dunkelblaue Schleifchen unter dem Kinn, diesmal mit weißen Kreuzen, nahm der fünfzigjährige Helmut Reitze am Freitagnachmittag die Wahl zum neuen Intendanten des Hessischen Rundfunks (HR) an. Der Journalist, bekannt als Moderator der ZDF-Nachrichten „heute-journal“, löst damit den zehn Jahre amtierenden Klaus Berg im Alter von 65 Jahren ab. Berg war ein Konservativer im oftmals von Gegnern als „Rotfunk“ gescholtenen und eher links zu verortenden Sender am Main. Er hatte sich, auch zum Ärger des traditionell CDU-lastigen Rundfunkrates, als Glücksfall erwiesen, weil er sich nicht vor den Karren der Politik spannen ließ, sondern nach außen meist loyal die Interessen seines Hauses vertrat.

Der Neue wird es schwer haben. Auch er ist auf CDU-Ticket angereist. Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte den Kandidaten Reitze favorisiert. Und er hat keine Verwaltungserfahrung. Er wird in einem Sender regieren, dessen starke Belegschaft allen Versuchen der Einflussnahme bisher immer wieder widerborstig Widerstand entgegensetzte. Auch beim HR ist gekürzt worden, auch dort, schließlich ist er einer der ärmeren und kleineren in der bundesweiten ARD-Kette, waren Entlasungen und Zeitverträge an der Tagesordnung. Das bundesweit beste Lokalfernsehen zu machen, über reichlich preisdotierte Filme- und Hörfunkmacher zu verfügen, das schlug sich in der Vergangenheit nicht unbedingt in entsprechenden Einschaltquoten nieder.

Reitze nahm am Freitagnachmittag erst einmal einen symbolträchtig rosaroten Blumenstrauß entgegen. Dann versuchte er sich in Diplomatie. Er sei, sagte er, eigentlich weder rechts noch links, sondern seiner Aufgabe verpflichtet. Der aufwärts mobile Mann stellte fest, er habe schon als vieles gegolten: als er in jungen Jahren vom HR nach Bayern ging, als links – „weil ich aus Hessen kam“; beim ZDF in Mainz als rechts – „weil ich aus Bayern kam“. So einfach sei das gewesen.

Die Noch-Kollegen und künftigen Untergebenen wollten es genau wissen. Wie hätte er sich beim bisher letzten Versuch aus dem CDU/FDP-regierten Wiesbaden, den Hessischen Rundfunk zu gängeln, verhalten? Reitze-Förderer Koch hatte stocksauer reagiert, weil in einer Morgensendung eine Preisverleihung angekündigt worden war. Der „Arsch des Jahres“ solle ihm verliehen werden, zusammen mit den Preisträgern Kampfhund und BSE-Kuh. Zu der Sendung kam es nicht, weniger wegen des massiven Drucks von außen, als in der hausinternen Erkenntnis, dass es dem Scherz an Niveau fehlte. Wie nun, wurde Reitze gefragt, hätte er sich verhalten? Seine Antwort fiel trotz langer Umschreibung eindeutig aus: gegen die Mitarbeiter.

Ansonsten schrieb er sein künftiges Programm nur vorsichtig fest. Eingespart werden müsse wie überall, wo, könne er noch nicht sagen. Abweichend zur Meinung rechter Medienpolitiker allerdings sprach er sich gegen ein Werbeverbot für die öffentlich-rechtlichen Sender aus. Auch sie müssten die Chance „der Unabhängigkeit“ haben, zu den Rundfunkgebühren dazu zu verdienen, schon um „den Kontakt zum Markt“ nicht zu verlieren. Da freute sich auch die Vorsitzende des hessischen Rundfunkrates, Edith Stumpf. Sie sitzt für die FDP in dem 29-köpfigen Gremium. Das hatte Reitze gegen die hausinterne Alternative, Hörfunkdirektor Heinz-Dieter Sommer, knapp mit 15 zu 14 Stimmen gewählt. Und sich damit das blamable, öffentliche Hickhack erspart, das das ZDF monatelang erst bei der Intendantenwahl und neuerdings bei der des Programmdirektors beutelte.

Das freute wiederum den ZDF-Mann Reitze, der auch dort im Schwindel erregenden Kandidatenkarussell mitgefahren war. Nun wird er sein Amt im April 2003 antreten. Bis dahin wird er weiter seinen Dienst als Leiter der Hauptredaktion Aktuelles und stellvertretender Chefredakteur des ZDF versehen.