Das Leben down under steht Kopf

Australien ist laut Premierminister John Howard durch die Terroranschläge von Bali für immer verändert worden. Die umstrittene Frage einer australischen Beteiligung an einem Krieg gegen den Irak ist seitdem in den Hintergrund gerückt

aus Melbourne BORIS B. BEHRSING

Das alte Sprichwort vom „Lucky Country“ scheint in Australien jetzt Geschichte zu sein. Durch die Anschläge auf Bali „ist unsere Nation verändert worden. Wahrscheinlich werden wir nie wieder so sorglos sein, wie wir es in der Vergangenheit waren“, erklärte Premierminister John Howard gestern mit Tränen in den Augen, nachdem er den Anschlagsort auf der indonesischen Ferieninsel besucht hatte. Von den mindestens 181 Todesopfern sind mindestens 119 Australier.

Die Regierung in Canberra erklärte den morgigen Sonntag zum Bali-Gedenktag: Um 12 Uhr wird das ganze Land für einige Minuten stillstehen. Der Schock der Anschläge hat erst langsam das Bewusstsein der Nation erreicht. Angesichts der Warnungen des Premiers, die Australier müssten sich gegen weitere Terrorakte gegen sich und ihre Interessen im Ausland wappnen, haben viele im Antipodenkontinent plötzlich Zukunftsangst und werden sich ihrer eigenen Verwundbarkeit bewusst.

Da tritt selbst die heiß diskutierte Frage der Beteiligung an einem Krieg gegen Irak, die die besonders US-freundliche Howard-Regierung ins Auge gefasst hatte, in den Hintergrund. Bisher war die Mehrheit der Australier gegen ein solches Militärengagement. Dies könnte sich nur ändern, wenn nachgewiesen wird, dass es eine Verbindung zwischen den Terroristen von Bali und dem Irak gibt, was eine globale Terrorbekämpfung rechtfertigen könnte. Diesen Beweis haben die USA bislang allerdings nicht erbracht.

Die Regierung Howard zieht daraus Konsequenzen: Zum dritten Mal wird jetzt das neue Verteidigungs-Weißbuch umgeschrieben. Nach der neuen Verteidigungsplanung soll nicht mehr die Entsendung australischer Streitkräfte an internationale Krisenherde Priorität haben, sondern die Verteidigung innerhalb der eigenen Region. Die Streitkräfte müssten vor allem bereitstehen, um die in Regierungsberichten als potenzielle Anschlagsziele genannten Infrastruktureinrichtungen wie Kraftwerke, Öldepots und Brücken zu schützen. Das fordern vor allem die Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesstaaten von Bundespolitikern in Canberra. Besonders drängt darauf Bob Carr, der Ministerpräsident von Neusüdwales, der sich nicht zuletzt um die weltberühmte Hafenbrücke in seiner Hauptstadt Sydney sorgt.

Die Bomben von Bali haben aber auch die als Erbe der australischen Militäraktion in der Osttimorkrise verbliebenen Ressentiments zwischen der indonesischen und der australischen Staatsführung überbrückt. Verbrannten noch unlängst indonesische Demonstranten vor Canberras Botschaft in Jakarta australische Flaggen, legen dort jetzt weinende Studenten Blumen zum Gedenken an die vielen auf Bali getöteten Australier nieder.

Die Anschläge leiteten wieder eine enge Zusammenarbeit zwischen Canberrra und Jakarta ein. Australiens Außenminister Alexander Downer weilte in den letzten Tagen in Jakarta, um eine Antiterrorallianz zu schmieden. Australische Militärs, Geheimagenten und Polizeidetektive arbeiten bereits Seite an Seite mit ihren indonesischen Kollegen bei der Fahndung nach Terroristen. Australien will auch die Ausbildung während der Osttimorkrise diskreditierter indonesischer Truppen durch die eigene SAS-Eliteeinheit wieder aufzunehmen.