Das sinkende Kanu

Kenias Präsident Moi will als Nachfolger den Sohn des Staatsgründers Kenyatta. Das ärgert seine Partei

NAIROBI taz ■ Bevor Kenias Präsident Daniel arap Moi nach 24 Jahren Herrschaft die Macht abgibt, stellt er die Politik seines Landes auf den Kopf. Er tritt bei der nächsten Präsidentschaftswahl zum Jahresende nicht mehr an – aber mit der Designierung seines Nachfolgers als Kandidat seiner Partei Kanu (Kenia Afrikanische Nationalunion) hat er seine seit der Unabhängigkeit regierende Partei gespalten. Autoritär ließ er zu Wochenbeginn Uhuru Kenyatta als Präsidentschaftskandidat aufstellen, den Sohn des ersten Präsidenten Kenias, Jomo Kenyatta. In Reaktion traten sechs Minister und Staatssekretäre zurück und schlossen sich zusammen mit 30 Abgeordneten der Regierungspartei einer Gruppe weiterer ehemaliger Regierungsmitglieder an, die Mois Wahl kritisieren.

Während Kenyatta am Montag feierlich als gewählter Kanu-Kandidat inthronisiert wurde, organisierten die Kanu-Dissidenten einen Massenaufmarsch von 50.000 Menschen in einem Stadtpark der Hauptstadt Nairobi. Sie sagten, Kenyatta sei der Partei aufgedrängt worden, und andre Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur hätten keine Chance gehabt. Dann verkündeten sie ihren Beitritt zur Liberaldemokratischen Partei.

Die Frage ist nun, ob die Kanu-Dissidenten in der Opposition bestehen können. Seit der Einführung des Mehrparteiensystems in Kenia 1991 ist jede Wahl dadurch charakterisiert, dass die Regierungspartei dank der Zersplitterung ihrer Gegner doch noch gewinnt.

Das haben die Dissidenten, die sich durch ihr Verhalten große Popularität erworben haben, begriffen. „Wir haben unsere Differenzen beiseite gelegt und wir geben für unser Land und sein Image unsere persönlichen Ambitionen auf“, sagte Extourismusminister Kalonzo Musyaka. Die meisten Oppositionsparteien haben bereits eine Allianz gegen Kanu gebildet. Wenn es ihnen nun gelingen würde, sich auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu einigen, könnte Kenia seinen ersten Machtwechsel seit der Unabhängigkeit erleben.

Die Kenianer staunen über die schnellen Entwicklungen der letzten Wochen. „Wer hätte das gedacht: Kanu zerfällt. Wir können die Opposition ernst nehmen“, sagt Peter Nyaudo, ein Besucher der Massenversammlung. „Vielleicht kommt jetzt die Zeit der Veränderung, auf die wir so lange gewartet haben.“

Tatsächlich könnte sich Präsident Moi mit der Wahl von Uhuru Kenyatta verrechnet haben. Zum ersten Mal seit Beginn seiner Amtszeit wird Moi selbst in seinen Hochburgen nicht mehr mit Beifall bedacht, wenn er auf seinen Vorwahlkampftouren durch das Land mit dem jungen designierten Nachfolger zusammen auftritt. Uhuru Kenyatta hat bisher nicht als starke Persönlichkeit von sich reden gemacht. Der Präsident wird ohnehin auch nach dem Ende seiner Amtszeit seine Macht nicht vollkommen aufgeben und Kanu-Vorsitzender bleiben, sodass er Kenyatta als Marionette einsetzen könnte.

Garantien für eine sorgenfreie Zukunft gelten als Hauptgrund für Mois Haltung. Seine Regierungszeit war von politischen Morden und Korruption gekennzeichnet. Nun ist er offenbar davon überzeugt, dass Kenyatta ihn als Präsident nicht juristisch verfolgen würde.

Doch die Angst ist nun groß, dass Kanu zu Gewalt greift, um die Wähler einzuschüchtern und die Macht zu behalten. Einige Wahlkundgebungen verliefen bereits blutig, es gab Tote und Verletzte. Unter den Anhängern der Opposition gibt es schließlich auch Schlägerbanden.

ILONA EVELEENS