Nasse Endzeitparty

Instabil und hysterisch: Wenn Noam Gonick zur Kamera greift, ist niemand sicher vor exzentrischen Übergriffe

Regelmäßig zur Zeit der Schneeschmelze treten der Assiniboine und der Red River über die Ufer und überfluten das ohnehin öde Winnipeg. Diese Stadt in Mittelkanada war einst die Keimzelle einer radikalen Linken, jetzt aber wollen alle nur noch eines: den letzten Rave auf dem Müllberg feiern, bevor er von der Flut weggespült wird. Sabu, DJ und Mitbesitzer eines Stands für gebrauchte Sexartikel, hat neben der Organisation dieser Endzeitparty eine weitere Mission. Er will seinen zweitausendsten Jungen klarmachen, und das soll der unbedarfte und nur an Ufologie und dem Schnüffeln von Chemikalien interessierte Happy sein. Dem schnellen Glück steht aber Spanky O’Neil im Weg, ein bösartiger Hairdresser, der seine Ansprüche aggressiv durchzusetzen versteht. Sabu sucht deshalb spirituelle Hilfe bei einer philippinischen Wunderheilerin, und damit beginnt dann der Tanz um okkulte Zahlenfolgen, Hirn, Kot, Schleim und Tränen.

Diese popkulturell versierte Exzentrik verschaffte Noam Gonicks Film „Hey, Happy!“ auf dem Sundance-Festival 2001 große Aufmerksamkeit. Vielleicht hatte die aber auch mit den Erwartungen zu tun, die sein Kurzfilm „1919“ vier Jahre zuvor geweckt hatte. Darin hatte er den großen Streik von 1919, diesen mächtigen, aber letztlich folgenlosen Auftritt des Kommunismus auf amerikanischem Boden, aus dem Blickwinkel einer Schwulensauna und ihrer unterschiedlich politisierten Besucher gezeigt. Inzwischen schätzt Gonick aber eher Zuschreibungen wie „a Hebrew pornographer of the most dangerous kind“.

Die Liebe zu den Übertrittmöglichkeiten von Pornografie teilt er dabei mit Bruce LaBruce, für den er auch das schöne Kompilationsbuch „Ride, Queer, Ride!“ ediert hat. Viel mehr als diese Sympathie und dieselbe Staatsbürgerschaft verbindet sie aber nicht. Eine künstlerische Nähe besteht eher zu Guy Maddin und dessen drastisch-nostalgischen Spielfilmdelirien. Ein Einfluss, der auch räumlich passt: Maddin lebt und arbeitet in Winnipeg.

„Hey, Happy!“, der erzählerisch nicht sehr stabil ist und dessen hysterische Fantastik immer ein wenig in die Albernheit zu kippen droht, hat durch Maddins Farbstilistik viel gewonnen, vor allem eine atmosphärische Einheitlichkeit. Während Guy Maddin für seine voll gekramten, verengten Bilder aber immer das Filmstudio braucht, zog es Gonick nach draußen, in die weite Welt von Vorstadtödnis, Männerüberschuss und Cinemascope. „Hey, Happy!“ wurde also komplett im Freien gedreht, und es sieht nicht so aus, als hätten dafür nur Kostengründe den Ausschlag gegeben.

MANFRED HERMES

„Hey Happy“ läuft im fsk, Segitzdamm 2, Kreuzberg, Termine siehe cinema-taz