Schmutzige Diamanten verboten

aus Jwaneng FRANÇOIS MISSER

In Jwaneng erscheint der Streit um „Blutdiamanten“, die Kriege finanzieren, wie Getöse aus einer anderen Welt. Keine abgerissenen Schürfer mit Spaten im Matsch wie in den Flüssen Angolas und Sierra Leones. Nein: Jwaneng in Botswana, die Perle in der Krone des Bergbaureiches De Beers’, ist ganz einfach die größte Diamantenmine der Welt und, was den technologischen Fortschritt betrifft, einsame Spitze.

Am Rande der Kalahari-Wüste brüllen hier Motoren am Boden eines 250 Meter tiefen Kraters. Gigantische Staubwolken steigen auf, wenn Monsterlastwagen mit einer Ladekapazität von 240 Tonnen durch den grünlichen Mutterfels Kimberlite ruckeln, aus dem die Diamanten kommen. Sie bringen die aus dem Berg geschlagenen Felsen an die Oberfläche. Der Stein wird zerkleinert und wandert dann ins „Aquarium“, das Heiligtum des Diamantenreiches, wo niemand außer dem Wartungs- und Sicherheitspersonal Zutritt hat.

Röntgenstrahlen und Lasertechnologie holen in der „Completely Automated Recovery Plant“ und dem „Fully Integrated Sorting House“ bis zu 99,9 Prozent des Diamantengehaltes der Kimberlite-Brocken aus dem Stein. Eine bewaffnete Eskorte begleitet den Schatz dann zum Flughafen. Nichts bleibt dem Zufall überlassen, die einzigen, die ohne Sicherheitsprüfung die Stacheldrahtzäune von Jwaneng überwinden, sind die Paviane, die sich über die Essensreste des Personals hermachen.

Eine Erfolgsstory

„Wo die kleinen Steine liegen“, heißt auf Tswana das Wort jwana, das Jwaneng seinen Namen gegeben hat. Die Stadt selbst liegt elf Kilometer von der Mine entfernt, ein kleiner, properer Ort mit 17.000 Einwohnern, darunter 2.200 Minenarbeiter. Es gibt Schulen, ein Krankenhaus, Schwimmbäder, ein Sportstadion, einen Tennisplatz, einen Supermarkt, ein paar kleine Hotels. Afrika eben. Oder Afrika, wie es sein könnte, würden seine Ressourcen nur überall so effektiv wie in Jwaneng genutzt.

Botswanas Diamantenförderung ist wegen des hohen Gehalts an Schmuckdiamanten vom Wert her die größte der Welt. 80 Prozent der Diamanten von Jwaneng sind Schmuckdiamanten. Über zwei Milliarden US-Dollar im Jahr bringt die Förderung aus Jwaneng und den anderen großen botswanischen Minen.

200 Kilometer weiter in Botswanas Hauptstadt Gaborone, wo der Staat so reich ist, dass er sogar seiner Steuerbehörde ein glitzerndes neues Hochhaus hinstellen kann, gehen die Diamanten an die Botswana Diamond Valuation Company, eine Filiale der Minenbesitzerin Debswana, die wiederum zu 50 Prozent dem südafrikanischen Minengiganten De Beers und zu 50 Prozent dem botswanischen Staat gehört. Die Besucher werden auf Schritt und Tritt überwacht, wenn die Diamanten hier geprüft und bewertet werden. Fotografieren ist streng verboten, selbst von der Straße aus. Von der Mine bis zum Export: Sicherheit total. Und falls das nicht reicht, sieht das botswanische Gesetz mehrjährige Gefängnisstrafen für jeden vor, der im Land mit Rohdiamanten erwischt wird – außer natürlich dem autorisierten Personal der vier Unternehmen mit Lizenzen zum Im- und Export.

Es ist also schwer, wenn nicht gar unmöglich, in diesen Kreislauf Diamanten aus Kriegsgebieten hineinzuschmuggeln, um damit „Diamantenwäsche“ zu betreiben. Botswana ist sauber. Und doch spürt man einen Anflug von Sorge bei den Managern von Debswana wie auch im Bergbauministerium angesichts der weltweiten Kampagnen gegen „Blutdiamanten“. Die Steine aus Kriegsgebieten, mit deren Handel Bürgerkriege finanziert werden, machen nur vier Prozent der Weltproduktion aus, aber ruinieren das Image des gesamten Produkts. Sicher, erkennt Debswana-Sprecher Jacob Sesinyi an, haben sich die Verbraucher noch nicht vom Diamanten als Schmuckstück abgewandt. „Aber wir können es uns nicht leisten, langwierig herauszufinden, ob die Leute ein schlechtes Bild vom Diamanten haben, um erst dann zu reagieren. Da ist es schon zu spät. Wir müssen vorgreifen.“

Das Schlagwort von Debswana lautet: „Diamonds for Development“. Gemeint ist: Botswanas Diamanten bringen Frieden und Wohlstand. Botswana, darauf weisen Analysten zu Recht hin, ist dank seiner Diamanten eine Erfolgsstory: Stabilität, Demokratie, Pro-Kopf-Einkommen von 4.000 Dollar im Jahr, über die letzten 50 Jahre die höchste Wachstumsrate des Pro-Kopf-Einkommens weltweit, gute Straßen und Telefonsysteme, fast 100 Prozent Einschulungsquote. 80 Prozent der Exporteinnahmen, die dieses Wirtschaftswunder ermöglichten, verdankt das Land den Diamanten, ebenso die Hälfte seiner Staatseinnahmen. Nur eines trübt das Bild: Die HIV-Infektionsrate von 39 Prozent – die höchste der Welt.

Edward Keloneilwe Adwood, Generalsekretär der Bergbaugewerkschaft BDWU, relativiert die Erfolgsbilanz ein wenig: 40 Prozent der Bevölkerung lebe noch immer unter der Armutsgrenze, 20 Prozent seien arbeitslos, so der Gewerkschaftsboss. Das meist weibliche Personal der Schleifbetriebe müsste endlich seine gewerkschaftlich verbürgten Rechte wahrnehmen können und mehr verdienen als 100 Dollar im Monat. Eine Regierung, die mit Diamantengeld sechs Milliarden Dollar an Devisenreserven angehäuft habe – das anderthalbfache Bruttosozialprodukt des Landes –, könnte mehr für ihre Bürger tun, findet Adwood.

Auch aus dem Ausland kommt Kritik. Die britische Gruppe „Survival International“ führt eine Kampagne gegen die Zwangsumsiedlung der San-Buschmänner, die einzigen verbliebenen Ureinwohner des Kalahari-Reservats, und droht: „Je länger die Regierung den Buschmännern nicht erlaubt, auf ihrem Land zu leben, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch Botswanas Diamanten Konfliktdiamanten heißen.“

Wer der Umsiedlung zustimmt, für den hält die Regierung einiges bereit. In Kaudwane, südlich vom Reservat, leben San-Buschmänner mit Gesundheitsstation, Schule, Bohrlöchern für Wasser, neuem Vieh und Handwerksbetrieben. Täglich gibt es Lebensmittelverteilungen. Ihr Chef Maweela sagt, man wolle nicht mehr in das Reservat zurück, obwohl es nur fünf Kilometer entfernt liegt. Man habe auch nichts mit der Klage von San-Gruppen vor dem Obersten Gericht gegen die Umsiedlungspolitik zu tun. Jedenfalls lautet so die Übersetzung seiner Worte durch die Begleiter.

Europa verkauft Waffen

Doch nicht das Schicksal der Buschleute bereitet den Herren der Diamantenindustrie Kopfzerbrechen. Das Problem ist vielmehr, dass die hässlichen Blutdiamanten noch immer nicht aus der Welt geschafft sind. Die Industrie hat sich längst auf ein weltweites System zur Diamantenzertifizierung geeinigt. Nur werde der so genannte Kimberley-Prozess, nach dem nur noch solche Diamanten legal gehandelt werden sollen, die ein international garantiertes und überprüftes Ursprungszertifikat tragen, bis heute nicht umgesetzt, kritisiert Ministerialdirektor Moshashane. „Unsere Zertifikate können wir innerhalb von zwei Monaten ausstellen“, meint er.

Das Problem, da ist sich Moshashane sicher, ist Europa. Denn in Europa landen die Rohdiamanten aus Kriegsgebieten, Europa verkauft die Waffen an Afrikas Diamanten-Warlords. Afrika wäre sauber, wenn man es machen ließe. Zumindest Botswana.