Gute Erziehung per Vertrag

Aufgeschreckt durch die schlechten Ergebnisse bei der Pisa-Studie, haben sich jetzt in Brandenburg Bildungsministerium und Eltern zu einem Pakt zusammengerauft

POTSDAM taz ■ Brandenburgs Schulen sollen in Zukunft Erziehungsverträge mit den Eltern abschließen. Darin sollen sich etwa Eltern verpflichten, ihre Kinder morgens liebevoll und pünktlich zur Schule zu schicken, ihnen ein Pausenbrot mitzugeben oder auf die Unterrichtsmaterialien und Hausaufgaben ihrer Sprösslinge zu achten. Im Gegenzug könnten sich Schulen verpflichten, für geringen Unterrichtsausfall zu sorgen, Lehrer regelmäßig zur Weiterbildung zu schicken, die Räume in einem ansprechenden Zustand zu erhalten oder Eltern Hilfestellungen in pädagogischen Fragen zu geben.

So stellen sich Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) und Landeselternsprecher Mario Sanders ihr „Bündnis für Bildung und Erziehung“ vor, das sie gestern nach monatelanger Diskussion in den Mitbestimmungsgremien und den Fachabteilungen des Ministeriums unterzeichneten. „Ich bin ausgesprochen dankbar, dass wir dieses Papier in gemeinsamer Arbeit zustande gebracht haben“, erklärte Reiche. Ministerialbürokratie und Elternvertreter hätten „auf gleicher Augenhöhe“ verhandelt.

„Nach dem Pisa-Schock haben sich Eltern und Schule gegenseitig die Schuld am schlechten Bildungsstand der Schüler zugewiesen“, ergänzte Sanders. Eltern würden sich zu wenig Zeit für ihre Kinder nehmen, hieß es von der einen Seite. Lehrer hätten sich aus der Erziehung der Schüler herausgenommen und beschränkten sich auf lebensfremde, anspruchslose Wissensvermittlung, so die Gegenvorwürfe. „Den Teufelskreis gegenseitiger Schuldzuweisungen, der uns keinen Schritt weiterbringt, wollen wir in Brandenburg durchbrechen,“ so Sanders. Im Klartext: Ministerium und Elternvertreter gestehen eigene Versäumnisse ein und suchen nach Wegen, diese gemeinsam abzustellen.

Keine Schuldvorwürfe

„Dazu muss vor allem die Kommunikation zwischen Eltern und Lehrern verbessert werden“, wünscht sich Sanders. Die setze oft erst ein, wenn es schon zu spät sei. Das „Bündnispapier“ regt deshalb Elternzimmer in den Schulen an oder regelmäßige Informationen der Schule an die Eltern über die Leistungen ihrer Kinder. Die Pisa-Studie habe gezeigt, dass in den sehr erfolgreichen skandinavischen Staaten diese Kommunikation besser funktioniert als in Deutschland.

Mehr als jede dritte Schule muss wegen der demografischen Entwicklung in den nächsten fünf Jahren in Brandenburg schließen. „Ich bin davon überzeugt, da werden sich nur die Schulen am Leben erhalten können, in denen eine gute Atmosphäre zwischen Lehrern, Schülern und Eltern besteht“, sagte Minister Reiche und ermutigte die Schulen, „in den nächsten Monaten den Dialog zu suchen“. Eltern und Lehrer sollten gemeinsam diskutieren, wie Teilungsunterricht sinnvoll sein kann oder ob es leistungsdifferenzierten Unterricht geben soll.

Vorbilder für die „Erziehungsverträge“ hat Brandenburg in Großbritannien und den Niederlanden gefunden, wo sie seit 1999 bzw. 2000 Standard sind. Der Unterschied: Weil Schulen in Deutschland juristisch unselbstständig sind, bleiben die Verträge hier „Gutwillenserklärungen“ von beiden Seiten. Sie werden freiwillig geschlossen. Eine unabhängige Instanz, die über die Einhaltung richtet, gibt es ebenso wenig wie Sanktionen.

Auch verschiedene Schulen in Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Brandenburg haben bereits „Erziehungsverträge“ oder „Partnerschaftsverträge“ mit den Eltern geschlossen, ohne auf den ministeriellen Segen zu warten. Kein Vorbild sei für Brandenburg jedoch ein Modell in Hessen, so Reiche, „weil das ohne den Dialog mit den Elternvertretern als reiner Vorschlag aus dem Ministerium zustande kam“. MARINA MAI