„Wer nicht kämpft, hat schon verloren“

Bei einer gemeinsamen Betriebsversammlung in der Rudolf-Virchow-Klinik wurden die Beschäftigten der Charité über die Sparvorschläge der Expertenkommission unterrichtet. Ärzte und Pflegepersonal sparten nicht mit Kritik

Panik ist noch nicht ausgebrochen am Rudolf-Virchow-Klinikum. Dafür sind die Nachrichten einfach zu frisch. „Was wir wissen, haben wir in der Zeitung gelesen“, meint eine Krankenschwester auf dem Weg in das Audi-Max. Aber die Hörsäle seien erst vor wenigen Jahren neu gebaut worden. „Was das wieder alles kostet. Wir sind die modernste Klinik Europas, und trotzdem soll hier weggekürzt werden.“

Im Audi-Max ist heute Betriebsversammlung. Die Mitarbeiter des Krankenhauses sollen über die Sparvorschläge der Expertenkommission informiert werden. Einige Medizinstudenten haben sich schon vorher ihre Meinung gebildet. „Was für ein Blödsinn“, meint Jan Witte. „Das ist eine rein politische Entscheidung, um die Wähler im Westen zu befriedigen.“ Es sei angenehm, am Virchow-Klinikum zu studieren, meint Jobst Röhmel. „Berlin kann zwei Fakultäten gebrauchen“. Außerdem sei das letzte Wort sicher noch nicht gesprochen. „Die Diskussion geht immer hin und her. Wer soll das ernst nehmen?“

Assistenzarzt Holger Langreck meint, dass die Forschung am Virchow-Klinikum nicht genügend Zeit gehabt hätte, um sich voll zu entwickeln, obwohl über viele Jahre investiert und etabliert worden sei. „Sehr viel von dem, was aufgebaut wurde, wird damit kaputtgemacht.“ Aus seiner Sicht gibt es auch kein Überangebot an Betten. „Es ist teilweise schwierig, die Patienten unterzubringen.“

Das Audimax ist voll besetzt. Per Videoschaltung ist außerdem die Belegschaft der Charité in Mitte verbunden. Schließlich gehören beide Standorte zu derselben Einrichtung, offenbar soll vermieden werden, was ein Personalrat der Studie vorwirft: einen Keil zwischen die beiden Standorte zu treiben und eine künstliche Konkurrenz heraufzubeschwören.

Einige haben sich schon ausführlich mit der Studie befasst und sparen nicht an Kritik. Man dürfe die Vorschläge der Expertenkommission nicht durch die rosarote Brille sehen, meint jemand im Publikum und erntet Applaus. „Die Studie argumentiert, als gäbe es hier keine Hörsäle und keine Bibliotheken.“ Folge der Zusammenlegung der Fakultäten wäre eine Uniklinik, die über die ganze Stadt verteilt ist. „Die Lehre der kurzen Wege geht verloren.“

Andere Beschäftigte fürchten vor allem den geplanten Bettenabbau. „Mir ist es egal, ob ich unter einer oder unter zwei Fakultäten meinen Job verliere“, sagt ein Krankenpfleger. Ohne weiteres scheint sich die Belegschaft der Charité nicht abwickeln lassen zu wollen. „Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ Ein Professor meint auf der Videoleinwand: „Eine große Stadt wie Berlin kann und muss drei Kliniken aushalten können.“

TILMAN GÜNTHER