Keine Tagelöhner mehr

Studentische Hilfskräfte hatten seit neun Jahren keine Lohnerhöhung mehr. Keinen Urlaub, kein Weihnachtsgeld, keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Hamburger Gruppe will Tarifvertrag erstreiten

von HELENE BUBROWSKI

Schon die Bezeichnung „studentische Hilfskraft“ sei völlig unangemessen, beschwert sich Sonja Staack. Denn schließlich würden die Universitäten „zusammenbrechen“ ohne die Arbeit, die Studierende täglich in Bibliotheken, Rechenzentren, der Verwaltung oder als Unterstützung der Professoren in Forschung und Lehre ableisten. Bundesweit sind insgesamt über 100.000 Studenten an den Unis beschäftigt.

Doch im Gegensatz zu allen anderen Angestellten im öffentlichen Dienst fällt die Arbeit der Studenten nicht unter den Bundesangestelltentarif (BAT). „Schlechter geht‘s nicht“, kommentiert Staack die Regelung, mit der dem „Idealtypus eines ausbeutbaren Arbeitnehmers“ seine Rechte verweigert werden. 1993 bestimmte die Tarifgemeinschaft deutscher Länder, so heißt die Interessenvertretung der Arbeitgeberseite im öffentlichen Dienst, die Richtlinien für studentische Beschäftigte: So enthalten die Arbeitsverträge nur eine Obergrenze der Arbeitszeit und sind meist auf wenige Monate beschränkt. Dies bedeute, dass „keine Planungssicherheit für die gewährt wird, die auf ihr Gehalt angewiesen sind“.

Außerdem liegt die Obergrenze der Vergütung seit neun Jahren bei 8,02 Euro pro Stunde; dies bedeutet de facto eine Senkung des Realeinkommens. In den Arbeitsverträgen steht meist „kein Wort von Urlaub, Weihnachtsgeld oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall“, kritisiert Staack. Auch von Wochenendzuschlägen, Überstunden und Kündigungsschutz sei nirgends die Rede. Und wer sich bessere Aussichten auf eine spätere Beschäftigung an der Uni erhofft, wird meist ebenfalls enttäuscht. Die Wahrscheinlichkeit liege etwa bei einem Fünfzigstel, sei also „minimal“, so Staack.

Für die Universität sei diese Regelung „sehr angenehm“, denn sie entbindet den Arbeitgeber von jeglichen Pflichten. Studentische Hilfekräfte füllten zudem die Lücken, die durch Sparmaßnahmen entstehen, kritisiert auch Helmut Claasen vom Personalrat der Uni. Doch können diese sich aufgrund ihres Status noch nicht einmal in einem Personalrat zur Artikulation ihrer Interessen organisieren.

Freiwillig werden sich Bund und Länder nicht zum Abschluss von Tarifverträgen mit Studenten bereit erklären, so die Einschätzung der Studentin. Deshalb „müssen wir Druck ausüben“. Im Juli 2001 gründete die Hamburger Studentin zusammen mit Uwe Giffei von der Regenbogen-Hochschulgruppe die „bundesweite Tarifvertragsinitiative für studentische Beschäftigte“. Die „Impulse gehen von Hamburg aus“, es gibt aber Ansprechpartner in allen Bundesländern. Unterstützt wird die Arbeit von den Gewerkschaften ver.di und GEW, die beispielsweise auch die Herausgabe der Broschüre „Geld ist nicht alles!“ über die Situation der studentischen Beschäftigten ermöglichten.

Eine kleine Verbesserung gibt es seit Beginn dieses Jahres: Wegen des „diskriminierenden Inhalts“ entschied der Europäische Gerichtshof, dass es keine „geringfügige Beschäftigung“ mehr gebe und die Arbeit im technischen und Verwaltungsbereich an der Universität von nun an unter den BAT falle. Dieses Urteil wird bisher allerdings nur bedingt beherzigt: Nur in der Präsidialverwaltung gibt es Tarifverträge, nicht jedoch in der Fachbereichsverwaltung. Erklärtes Ziel von Staack und Giffei ist, eine Sonderregelung im BAT durchzusetzen, die allen Studenten „bessere Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit, Urlaub, Weihnachtsgeld und andere sonst selbstverständliche Grundrechte Angestellter“ zusichert.

Berlin kann seit 1986 als einziges Bundesland so eine Regelung vorweisen. Dort liegt der Stundenlohn mit 10,22 Euro um fast 30 Prozent über der Vergütung in Hamburg. Außerdem sind die Forderungen, die in Hamburg unverschämt erscheinen, in Berlin Mindeststandard; auch wenn sie dort einmal jährlich für den Erhalt der erkämpften Rechte auf die Straße gehen müssen.

Im kommenden Jahr, so hoffen die beiden Studenten, könnten sich Gewerkschaften mit der Tarifgemeinschaft der Länder an einen Tisch setzen und den Tarifvertrag durchsetzen. Allerdings nur, wenn genügend öffentlicher Druck zu spüren ist. Und den will die studentische Initiative mit einer spektakulären Aktion erzeugen: „Wir werden zeigen, dass ohne die studentischen Beschäftigten nichts mehr an der Uni läuft.“ Wie, wird noch nicht verraten.

Tarifinitiative, Besenbinderhof 60, geöffnet: Di 14-18 Uhr; Kontakt: tarifini.hamburg@verdi.de