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: Gefühlschaos zerlegen: Paulas „Warum Berlin“

Süßstoff des Wissens

Paula haben ihr neues Album „Warum Berlin“ genannt, und darüber kann man schon mal ins Grübeln kommen. Ja, warum eigentlich Berlin? Warum stellen gerade die Wahlberliner Paula – deren Songs sich auch weiter um ewige Themen wie Liebe, Trennung und Schmerz drehen, eine Frage, die so welthaltig klingt?

Im Platten-Info lassen Paula dann aber ausrichten, dass sie nicht verstehen, warum gerade die Bands aus der Hauptstadt so gehypt würden. Es gäbe doch auch noch andere „coole Städte.“ Für die bundesweite Tour im Herbst haben sie deshalb Tourplakate mit dem Wahrzeichen der jeweiligen Stadt geplant. Soll bloß keiner glauben, die Berliner würden den Imperialismus ins Land bringen. Und so heißt die erste Singleauskopplung einfach nur „die Stadt“, wobei es egal ist, ob es sich bei dieser „schönen Stadt, die nur für mich nichts hat“, um die Hauptstadt handelt.

Alle Songs auf „Warum Berlin“ klingen so, als würde sich jemand mit großen Augen den vielen Widersprüchen des Lebens nähern: „Ich liebe diese Tage, die mir ohne eine Frage, die Dinge sagen, die ich will, ich weiß doch sowieso zu viel.“ Das ist gar nicht mal unwitzig. Gerade weil Sängerin Elke Brauweiler davon ernst und fast gestelzt singt, als müsse man das Glück ziemlich vorsichtig angehen.

Überhaupt ist es die Leistung dieses Albums, dass man ihm die Zerbrechlichkeit aller Glücksversprechen auch anhört. Zumal die Stücke ja vor blühender Harmoniesucht nur so ausschlagen wollen: runde Reime, runde Melodien, lieber braver Mädchen-Gesang, der immer so hoch ist, als müsse er seine eigene Empörtheit übertönen. „Heute ist es halb so schlimm und morgen macht es sogar Sinn, zurückzugehn und einzusehn es wird weitergehn.“ Zweifel, die erst gar keine Verzweiflung aufkommen lassen wollen und deshalb wie nebenbei bei der Melancholie landen.

Da ist es nur logisch, dass sich auch musikalisch – außer der elektronischen Verwendung von Rock-Gitarren – nicht viel geändert hat bei Paula. Sie wollen halt den Sprung in die Charts, sie waren ja auch die ersten, die Anfang des Jahrzehnts so richtig Ernst gemacht haben mit diesem ganzen Schlager-Groove-Ding. Auch wenn sie die Sache mit dem Schlager natürlich nicht mehr gerne hören. Paula-Songs sind ja auch keine leichten Songs. Geben sich schließlich nicht mit weniger zufrieden als mit der ganzen Packung Süßstoff. Und können dabei auch nicht auf Nummer Sicher und authentisch gehen wie Grönemeyer. Aber der Vergleich ist trotzdem nicht gänzlich daneben. Denn auch Paula-Songs zerlegen immer wieder die Klischees, aus denen sie bestehen. Da scheint ein ziemliches Gefühlschaos bewältigt zu werden. Das dann aber auch wieder in seine geordneten Bahnen geleitet wird.

Man kann es dann wieder kaum fassen, dass Elke die Texte, die sie so überzeugend singt, nicht selber geschrieben hat. Aber auch dieser Umstand ist zu guter Letzt egal – oder der Schlüssel für die Künstlichkeit der Songs. Wie auch immer, warum auch immer: „Warum Berlin“ ist ein tolles, süchtigmachendes Pop-Album, das man am besten zum Aufstehen hören sollte, wenn der Tag noch frisch ist, und man sich noch über nichts so richtig aufgeregt hat. KERSTIN GRETHER

Paula: Warum Berlin? (Hom; Sony)