Bärenstarke Förderung wollen alle

Die Deutschkenntnisse von Berliner Vorschulkindern sind erschreckend schlecht, die Diskussion darüber ist billig. Nun fordert der Bezirk Mitte ein Gesamtkonzept Sprachförderung. Doch die Finanzlage stoppt viele gute Rezepte

In der anhaltenden Diskussion über die Sprachförderung von Kindern hat der Ausländerbeirat von Mitte ein Gesamtkonzept für Sprachförderung und sprachliche Integration gefordert. Alle vor- und außerschulischen Bereiche sollten in den Prozess eingebunden werden, heißt es in einer Resolution an den Senat. Das Gremium unter Vorsitz des Bezirksbürgermeisters von Mitte, Joachim Zeller (CDU), will erreichen, dass das Personal von Kitas und Schulen vor allem in sozialen Brennpunkten erhöht wird. Außerdem sollen Mütterkurse und Hauslernprogramme gesichert und ausgebaut werden. „Wir hoffen, dass die Stellen mit uns zusammen die Probleme angehen“, erklärte Mustafa Turgut Cakmakoglu, der Ausländerbeauftragte von Mitte.

Über die beklagten mangelhaften Sprachkenntnisse von angehenden Erstklässlern liegen in diesem Jahr erstmals empirische Daten vor. Für die Studie „Bärenstark“ wurde die Sprachkompetenz von fast 10.000 deutschen und nichtdeutschen Kindern in den Innenstadtbezirken getestet. Das Ergebnis ist deutlich. Nur 33 Prozent der Kinder kommen ganz ohne Förderung zurecht. Die übrigen zwei Drittel haben mangelhaft abgeschnitten. Fast 36 Prozent der Kinder müsste intensiv geschult werden.

Der Anteil der nichtdeutschen Kinder überwiegt, schließlich haben sie oftmals die schwierigere Ausgangsposition. „Das Problem ist jedoch nicht der hohe Ausländeranteil, sondern allgemein die Sprachfähigkeit“, betont Thomas John, Sprecher des Bildungssenators Klaus Böger (SPD). Die mangelnde Sprachfähigkeit sei kein Ausländerproblem, sondern ein soziales. „Das betrifft auch deutsche Kinder in bestimmten Regionen“, sagt John. Als ersten Schritt zur Besserung will die Senatsverwaltung freiwillige Fortbildungen für Erzieherinnen anbieten. Langfristig will man für die Kitas Bildungsziele festlegen; in den Schulen ist eine Stunde mehr Deutschunterricht pro Woche vorgesehen. Für weitere Verbesserungen braucht man Personal und Geld. „Im Haushalt muss erkennbar sein, dass Bildung Prioriät hat“, sagt John.

Im Bezirk Mitte ist das Problem besonders dramatisch. Hier lag die Quote von förderungsbedürftigen Vorschülern am höchsten. Auf einer Sprachkonferenz wurden deshalb bereits im April die Sprachprobleme der Migrantenkinder diskutiert. Im nächsten Jahr will der Bezirk nun ein „Gesamtkonzept Sprachförderung in Mitte“ vorlegen, noch im Herbst soll außerdem das Sprachvermögen vierjähriger Kinder in 43 Kindertagesstätten getestet werden. Aber all das kostet Geld, das nicht allein vom Bezirk kommen könne.

„Trotz Sprachförderung stehen wir vor katastrophalen Ergebnissen“, sagte Karin Rietz, Sprecherin des Bezirksamtes. Dabei seien die bestehenden Förderprogramme vielversprechend. Sie verweist auf das Hauslernprogramm „Hippy“. Hier werden nichtdeutsche Kinder zusammen mit ihren Eltern zu Hause unterrichtet. So sei es möglich, auch bildungsferne Familien zu erreichen. Die vom Arbeitsamt bezahlten Maßnahmen seien jedoch nur „Tropfen auf heiße Steine“.

„Schulen und Kitas können das nicht allein schaffen“, meint Thomas John, „auch die Eltern sind gefordert, zu Hause deutsch zu sprechen.“ Die bestehenden Angebote seien doch sehr erfolgreich, etwa die Mütterkurse der Volkshochschulen. „Das Angebot müsste verstärkt, aber auch finanziert werden.“ Mütterkurse werden bisher von den Bezirken bezahlt. TILMAN GÜNTHER