Haushalten für Arme

Konzertierte Aktion zur Armutsprävention zieht Bilanz: Richtig und billig einkaufen ist nicht alles. „Armut fängt meist ganz harmlos an“ – und nicht nur mit Arbeitslosigkeit

BERLIN taz ■ Alle sparen. Der Bund, die Länder, jede einzelne Kommune. Großunternehmen, Handwerksbetriebe, Tante-Emma-Läden. Aber wirklich alle? Und kann das überhaupt jeder?

Mitnichten. Das hat die „Konzertierte Aktion hauswirtschaftlicher Verbände und Organisationen zur Armutsprävention“ herausgefunden, die seit gestern bei einer Tagung in Berlin Bilanz eines Modellversuchs zieht. Die, denen Geldmangel am meisten an die Substanz geht: Familien oder allein Erziehende oder Jugendliche oder Rentner, wissen oft überhaupt nicht, wofür man das wenige Geld einsetzen sollte – und wofür eben nicht.

Deswegen, so fordert die Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hauswirtschaft, Maria Thiele-Wittig, müssten „Haushaltskompetenzen“ endlich als „wesentlicher Beitrag zur Armutsbekämpfung“ behandelt und vermittelt werden. „Die Haushalte gehören in den Fokus der Gesellschaft.“

In über 40 Projekten mit über 500 TeilnehmerInnen hat man drei Jahre lang unter Schirmherrschaft des Bundesfamilienministeriums (das jährlich 750.000 Euro zuschoss) versucht, Amutsprävention in Haushalte zu tragen. Mit Erfolg, wie Michael-Burkhard Piorkowsky erklärt. Der Professor für Haushalts- und Konsumökonomik an der Uni Bonn sagt, es sei gelungen, so genanntes Beziehungsmanagement zu vermitteln: Haushaltsvorständen, wohl vor allem Frauen, wurde geholfen, den verschiedenen Bedürfnissen gerecht zu werden.

Haushalten lernen und Armut vorbeugen, das heißt aber viel mehr als nur zu vermitteln, was Mädchen früher im Hauswirtschaftsunterricht lernten, von vitaminreicher Ernährung bis zum Einnähen von Reißverschlüssen. Die 40 Projekte unter der Ägide von 17 Trägern, von der Caritas bis zum Hausfrauenbund, wählten ganz verschiedene Zugänge. In Freiburg wurden Familienpfleger der Caritas unter dem Motto „HOT (Haushalts-Organisations-Training) bei der Bewältigung meist viel komplexererer Armutsrisiken tätig.

Wenn nämlich zum Beispiel eine Frau nach längerem Krankenhausaufenthalt wegen einer psychischen Erkrankung auf einen renitenten Ehemann und verhaltensauffällige, aus der Kita geflogene Kinder trifft, ist monetäre Armut nicht das eigentliche Problem. Aber absehbar, wenn nicht ganz viele Dinge gleichzeitig geklärt werden. „Armut fängt meist ganz harmlos an“, sagt Martina Feulner von der Caritas. „Im Alltag stimmt etwas nicht mehr, was die Familie nicht in den Griff bekommt.“ Das kann, muss aber nicht, plötzliche Arbeitslosigkeit sein.

An anderen Orten hat man sich anderen Zielgruppen gewidmet: „Kids und Knete“ brachte Kindern bei, mit Geld umzugehen. „Fit fürs Leben“ in Schweinfurt schulte russlanddeutsche Frauen in „richtigem Haushalten, geregelten Finanzen und PC-Kenntnissen, Deutschkurs inklusive“. Nach dem Ende des Modellversuchs wurde gestern der Startschuss für eine „bundesweite Armutspräventionskampagne“ gegeben. Nun müssen die Träger aber zunächst einmal selber haushalten – und sehen, wo sie das Geld für die Hilfe zur Selbsthilfe auftreiben.

JEANNETTE GODDAR