Realitäts-Schürfen

Am Staatstheater Oldenburg: Tanz um „Die Elemente“

Viel Modern Dance, und dann tippelt mal wieder die klassische Schuhspitze

Elastische Fäden durchkreuzen den Raum. Darin: Ein Mann, eine Frau. Verhaltene Bewegungen, wie amputiert, Annäherungen, und schon verstricken sie sich. „Luft“, das ist der erste Teil aus „Die Elemente“ vom Choreografen Martin Stiefermann. Auf der Tonspur des Beziehungstanz um Entfesselung und achtungsvoller Zärtlichkeit, rennt ein Langstreckenläufer keuchend auf den Orgasmus zu, während eine Frau eine Arie trällert. Amüsant, dieses Spiel um die Ungleichzeitigkeit, letztlich aber kommt einem dieser Tanz um Nähe und Distanz sehr bekannt und daher langweilig vor.

Aufregend dagegen lodert das „Feuer“ über die Bühne. Im engen Nyloncatsuit und mit katzenhafter Gesichtsbemalung versehen reichen die Tänzerinnen jeden Beat der hervorragenden Musik von Jan Pusch als Impuls durch die Körper weiter. Ein technoider Rhythmus: Verkantungen in der Drehung, gegenläufige Bewegungen im Körper selbst – da ist viel Modern-Dance drin, und dann trippelt da auch wieder klassische Schuhspitze. Atemberaubende Wechsel, viel Kraft und Aggression.

Da ärgert dann die etwas betuliche Einlassung zum Thema “Erde“. Die kubanische Tänzerin Maura Morales verkörpert Helen Keller, die früh erblindete und ihr Leben über die anderen Sinne erfahren lernte. Morales ist wunderbar differenziert und sinnlich in der schauspielerischen Ausübung ihres Parts. Ihr nimmt man das Schürfen nach der Realität über das Tasten, Riechen und Hören ab.

Im „Wasser“ dagegen gibt es mehr Raum für die eigenen Bewegungsrepertoires der TänzerInnen. Ein ums andere Mal steigt einE TänzerIn von einem Thron ins Meer, Seitenlicht suggeriert den Schein der Wellenlinien unter Wasser. Körper öffnen sich, Beine und Arme schwingen in expressivem Tanzleicht wie Tentakeln von Seeanemonen: schöne, suggestive Bilder. Trotzdem war das Bad im Wasser zu lang und unentschieden, zu viele Bilder entstehen, die der Szenerie mehr an Fülle nehmen, als sie zu erklären.

Stiefermann kann man nach diesem Ausflug nur bestärken, vom theatralen Ansatz zum Tänzerischen zurückzukehren. Sie lassen seinen talentierten TänzerInnen den Raum, den sie verdienen. Marijke Gerwin

Vorstellungen: 5.10., 18.10. und 1.11. jeweils um 20 Uhr