Wackliger Prozess

Richter im SSS-Prozess behalten sich weiterhin vor, vom Innenministerium Aussagen zu V-Männern einzufordern

DRESDEN taz ■ Das sächsische Innenministerium weigert sich weiterhin, die Frage nach eventuellen V-Männern in der verbotenenen Neonaziorganisation Skinheads Sächsische Schweiz (SSS) zu beantworten. Trotzdem wurde der Prozess gegen sieben mutmaßliche SSS-Mitglieder wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung am Landgericht Dresden gestern mit der Verlesung der Anklage fortgesetzt. Den sieben Angeklagten werden mehrere Körperverletzungen an politischen Gegnern sowie Volksverhetzung und andere Propagandadelikte vorgeworfen. Die Vorwürfe seien allesamt zutreffend, sagte gestern ein Angeklagter, der für die kommende Woche umfangreiche Aussagen ankündigte und als wichtiger Belastungszeuge gilt.

Zuvor hatte der Vorsitzende Richter Tom Maciejeweski eine sechsseitige Stellungnahme von Sachsens Innenminister Horst Rasch (CDU) verlesen. Der beruft sich bei seiner Weigerung, die V-Leute unter den Angeklagten und Zeugen zu nennen, auf das Geheimhaltungsprinzip. Bei einer Preisgabe ihrer Identität bestünde für mögliche V-Männer eine „konkrete Gefahr für Leib und Leben“. Die Drohung von Mitgliedern der ehemaligen SSS, „Verräter“ zu bestrafen, sei real. Zudem sei ein Verfassungsschutz, der seine Quellen nicht schütze, nicht mehr arbeitsfähig.

Für Richter Maciejewski, aber auch für die Veteidiger der Neonazis ist der V-Mann-Komplex damit nur kurzfristig auf Eis gelegt. Das Damoklesschwert des Scheiterns schwebt wie auch beim NPD-Verbotsverfahren nach wie vor über dem Prozess, dem als Signal für entschlossenes staatliches Durchgreifen gegen rechtsextremistische Hegemoniebestrebungen eine Vorreiterrolle zugedacht ist. Maciejewski erklärte, das Gericht behalte sich vor, nach Eintritt in die Beweisaufnahme erneut Auskunft zu verlangen, ob und in welchem Umfang Verfahrensbeteiligte für den Verfassungsschutz gearbeitet haben. Währenddessen setzen die Verteidiger auf eine Verwirrungsstrategie. Während sechs Angeklagte die Frage des Richters nach einer Zusammenarbeit mit den Behörden verneinten, verweigerte die mutmaßliche Nr. 2 in der Hierarchie der SSS, der Angeklagte Thomas R., die Antwort.

HEIKE KLEFFNER