Der Krieg soll unsichtbar bleiben

Auch wenn keine Bomber von Deutschland aus nach Irak fliegen werden: Gesteuert werden die Luftangriffe auch von US-Basen in Deutschland aus. Bei einem längeren Krieg ist eine Verlegung hier stationierter US-Truppen an den Golf wahrscheinlich

von ERIC CHAUVISTRÉ

Der Bericht ist voll des Lobes für die europäischen Verbündeten. Die Alliierten hätten ihre Häfen und Flugplätze zur Verfügung gestellt und im Bahnnetz freie Kapazitäten geschaffen. „Eine große Prozentzahl der Flüge, die Fracht aus den Vereinigten Staaten ins Kampfgebiet gebracht haben, wurden durch die große und sehr gut ausgestattete Rhein-Main-Basis abgewickelt.“ So bilanziert der Pentagon-Bericht den Golfkrieg 1991. Damals lief der größte Teil des Nachschubs über deutsche Stützpunkte, und das Pentagon verfrachtete das gesamte in Deutschland stationierte VII. Corps der US-Armee an den Golf.

Wenn das US-Verteidigungsministerium nach dem von Präsident George W. Bush auch nach dem Einlenken Iraks fest für den kommenden Winter geplanten Krieg wieder Bilanz zieht, wird das Fazit wohl zurückhaltender ausfallen. Nicht nur aus diplomatischen Gründen – weil eine deutsche Regierung dann gar nicht so gerne für ihre Unterstützung gelobt werden will. Auch militärisch wird der Golfkrieg von Bush junior eine andere Art der Unterstützung brauchen als der des Bush senior ein Jahrzehnt zuvor. Es wird weniger Truppen am Golf geben, die Reichweite der Bomber ist größer geworden, und längst haben die Amerikaner dafür gesorgt, auch auf Stützpunkte außerhalb Deutschlands ausweichen zu können.

„Die derzeitige Betriebsamkeit auf der Rhein-Main-Airbase könnte auch auf Verlegungen von Material auf andere europäische Stützpunkte hinweisen“, vermutet der Hamburger Rüstungsforscher Peter Lock. Neben Basen in Kuwait und Katar könnte etwa die spanische US-Luftwaffenbasis Morón das Ziel der Flüge aus Frankfurt und dem rheinland-pfälzischen Spangdahlem sein – sie wurde in den letzten Jahren dramatisch ausgebaut. Sind die Verlegung des Militärmaterials aus Deutschland bis zu den ersten Angriffen abgeschlossen und die Nachschubwege über andere Länder organisiert, könnte eine deutsche Bundesregierung tatsächlich behaupten, deutsche Stützpunkte würden nicht für den Irakkrieg genutzt.

Hat der Krieg erst einmal begonnen, werden vor allem die über Jahrzehnte angelegten Kommando- und Kommunikationseinrichtungen der US-Streitkräfte in Deutschland eingesetzt. Eine fast unsichtbare Unterstützung, denn mit Truppenbewegungen wird dies nicht verbunden sein. Das in Ramstein beheimatete Hauptquartier der US-Luftwaffe etwa wird zumindest die über die Türkei in den Nordirak hinein laufenden Angriffe koordinieren, meint Bill Arkin, Washingtoner Militärexperte und ehemals Geheimdienstoffizier der US-Streitkräfte in Deutschland. Auch die Zentrale des „European Command“ (Eucom) in Stuttgart-Vaihingen würde dann der Kriegsführung beteiligt sein. Schon jetzt steuert Eucom die regelmäßig unter dem Codenamen „Northern Watch“ stattfindenden Patrouillenflüge und Luftangriffe auf irakische Stellungen im Norden Iraks.

Auch auf die Nutzung des Krankenhauses der US-Streitkräfte in Landstuhl werden die USA im Kriegsfall nicht verzichten wollen. Zur Versorgung schwer verletzter US-Soldaten aus dem Nahen Osten ist das Lazarett in Rheinland-Pfalz fest in jede Kriegsplanung im Nahen und Mittleren Osten eingeplant.

Für Bombardements werden die deutschen Stützpunkte nicht zwingend gebraucht. Allerdings könnten schwere Bomber vom Typ B-52 sowie B-2-Tarnkappenbomber, die vom britischen Luftwaffenstützpunkt Fairford aus starten, den deutschen Luftraum überfliegen.

Ob wieder, wie für den Golfkrieg 1991, in Deutschland stationierte US-Bodentruppen an den Golf verlegt werden, hängt von dem noch nicht endgültig festgelegten Schlachtplan für einen Irakkrieg ab. Kommen in der ersten Linie leichte Luftlandetruppen, Marines und „Special Forces“ zum Einsatz, wären kaum Truppenverlegungen von deutschen Stützpunkten aus notwendig. Würden sich die Pentagon-Planer aber mit dem Einsatz schwerer Truppen für einen möglicherweise längeren Krieg rüsten wollen, läge es am nächsten, eine in Deutschland stationierte Division einzufliegen.