crime scene
: Robert Crais und sein neuer Krimi „Feuerengel“

Wie man eine Bombe baut

Letzten Monat beschäftigte sich diese Kolumne mit der Moral und empfahl unseren Spaß-Politikern, sich den Gentleman-Verbrecher Wyatt von Gary Disher zum Vorbild zu nehmen. Diesmal liegt ein Thema in der Luft, bei dem sich jede Handlungsaufforderung, ginge sie nun an normale Leser oder Politiker (womöglich an beide), von vornherein verbietet. Ja, diese Kolume will sich in den Nachwehen des wohl medienwirksamsten Jahrestages des stigmatisierten Themas „Bombenleger“ annehmen.

In seinem Roman „Feuerengel“ – in den Vereinigten Staaten unter dem Titel „Demolition Angel“ bereits vor zwei Jahren erschienen – setzt Robert Crais, der in Lousianna geborene Sohn einer Arbeiterfamilie, erklärende Worte ans Ende der Danksagung: „Die von mir befragten Sprengstoffexperten und Bombentechniker waren zu Recht darum besorgt, dass dieses Buch keine Gebrauchsanweisung darstellt oder detailliert über die beruflichen Fähigkeiten der Bombentechniker Auskunft gibt. Aus diesem Grund habe ich gewisse Fakten und Verfahrensabläufe geändert und andere wiederum frei erfunden. Den Experten auf diesem Gebiet sei gesagt, dass die technischen und verfahrenstechnischen Ungenauigkeiten in der vorliegenden Arbeit ausschließlich auf das Konto des Verfassers gehen.“ Glück gehabt …

Crais begann seine Karriere 1976 in Hollywood. In den folgenden Jahren schrieb er unzählige Drehbücher für Fernsehserien wie „Polizeirevier Hill-Street“, „Miami Vice“, „Quincy“ oder „Cagney & Lacey“. Als Krimi-Autor debütierte er 1987 mit „Kidnapping“. Bis 1999 folgten in der erfolgreichen Serie um den Privatdetektiv Elvis Cole sieben weitere Romane, von denen zurzeit nur der vierte und fünfte auf Deutsch lieferbar sind: „Im freien Fall“ und „Voodoo River“. Beide bei Rowohlt erschienen, beide ohne Vorwissen mit Genuss zu lesen. Für den großen Rest – „Stalking the Angel“, „Lullaby Town“, „Sunset Express“, „Indigo Slam“ & „L. A. Requiem“ – reicht das gemeine Schulenglisch in Verbindung mit einem Kleinstwörterbuch. Inzwischen steht fest, dass nächstes Jahr mit „The Last Detective“ ein neuer Cole-Roman erscheinen soll.

Als sich jedoch die zahlreichen amerikanischen Fans der Serie mit Veröffentlichung von „Feuerengel“ vor zwei Jahren mit einer neuen Antiheldin konfrontiert sahen, war die Enttäuschung erst mal groß. Sowohl Roman als auch Protagonistin haben Besseres verdient.

Carol Starkey ist Sprengstoffexpertin beim LAPD und muss sich nicht nur mit einem munteren Bombenleger herumschlagen. Zudem plagen sie Traumata, Depressionen und Folgeschäden wie Alkoholismus und Tablettensucht. Bei einem früheren Einsatz starb ihr Freund und Kollege vor ihren Augen, nun versucht sie es mit dem alten Fehler. Nach einer kurzen Pause soll ihre Therapie größtenteils aus Arbeit bestehen, wobei ihre Arbeit eben der Anlass der Therapie war. Als wenig hilfreich erweist sich überdies, dass Carol den Tod eines weiteren Kollegen aufklären muss, der beim Versuch, eine Bombe zu entschärfen, ums Leben kam.

Atmosphärisch dicht schildert Crais das Dilemma und die Angst um den Arbeitsplatz, die Starkey scheinbar planlos durch den Fall taumeln lassen. Widersprüchliche Hinweise, schattige FBI-Typen, unkooperative Kollegen, seltsame Zufälle – mit jedem Schritt wächst Carols Ungewissheit: Einzeltäter? Terrorkommando? Oder doch nur ein Auftragskiller? Bis zum Ende alles andere als „happy“, auf eigene Art hard boiled, bleibt zu hoffen, das Crais die toughe Heldin doch noch in Serie schicken wird.

Wer es nach der Lektüre von „Feuerengel“ etwas genauer wissen möchte, der kann sich beim legendären US-Verlag Loompanics die „Black Books“ Nummer eins bis drei bestellen. Hier finden sich die besten CIA-Tipps in Sachen „improvisierte Waffen und Munition“. Wenn das zu weit geht, kann vielleicht William Gurstelles „Backyard Ballistics“ mit Bauplänen für effektive Kartoffelkanonen und Streichholzraketen dienen. Lasst es krachen!

LARS BRINKMANN

Robert Crais: „Feuerengel“. Aus demAmerikanischen von Esther Bregerund Peter Hiess. Goldmann, München2002, 443 S., 9,90 €Ľ„Black Book“, Nr. 1–3, Loompanics,Port Townsend, USA 1978–1982,Ca. 150 S., je 17.95 $William Gurstelle: „BackyardBallistics“. Loompanics, Townsend, USA 2001, 188 S., 16.95 $. Weitere Informationen unterwww.loompanics.com