reisen bildet
: Ein Grüner in Amerika

Ökoglück made in USA

Blechlawinen walzen über sechsspurige Superhighways, riesige Straßenkreuzer schlucken den billigen Sprit gallonenweise. Wer kein Auto hat, gilt als völlig verarmt oder verrückt – die USA sind bekannt als das Land der unbegrenzten Motorisierung. Dass es auch anders geht, hat Michael Cramer, verkehrspolitscher Sprecher der Grünen, auf einer Reise durch sechs US-amerikanische Großstädte festgestellt. Dort hat man erkannt, dass in der Vergangenheit vieles schief gelaufen ist, und setzt heute auf die Förderung von Bus, Bahn und Fahrrad.

„Die Stadtentwicklung wird durch neue Straßenbahnstrecken vorbereitet“, lobt Cramer. Berliner Wohngebiete wie Karow Nord würden dagegen erst nach Jahren ans Schienennetz genommen.

In der Innenstadt von Chicago werden Autofahrer zur Kasse gebeten: Wer 20 Minuten parkt, muss 8 Dollar abdrücken. Ein ganzer Tag Parken kostet mehr als eine Wochenkarte für den öffentlichen Nahverkehr. „In Berlin sind die Parkgebühren die Einzigen, die seit 1990 nicht mehr erhöht wurden“, setzt Cramer dagegen, ein U-Bahn Ticket koste das Vielfache eines Parkscheins. Auch die Bußgelder fürs Schwarzparken seien höher als in Berlin. Wer sich allerdings in der U-Bahn von L. A. ohne Ticket erwischen lässt, muss 270 Dollar zahlen.

Rote Bordsteinkanten markieren die Halteverbotszonen in amerikanischen Städten, nirgendwo wird abgepollert. Anders als in Berlin laufen blinde Mitbürger also nicht Gefahr, sich die Poller in die Weichteile zu rammen, wie Cramer erläutert.

In allen besuchten Städten würden hoch frequentierte, doppelstöckige Highways abgerissen. Statt verstopfter Schnellstraßen entstehen von Palmen gesäumte Boulevards, auf denen die Amerikaner lustwandeln können. Nicht so in Berlin: Entlang des Teltowkanals ist eine Stadtautobahn in Planung. Würden dort stattdessen Wohngebiete entstehen, könnten stolze Häuslebauer mit Booten bis in die Innenstadt fahren.

Cramer bewundert die Konsequenz und Radikalität, mit denen Alternativen zum Auto gefördert werden. Schneller, höher und weiter: Neben den Pkws sollen auch Fußgänger, Radfahrer, Skater, Busse, Straßenbahnen und schnelle Nahverkehrszüge ihr Plätzchen auf den Straßen bekommen – am besten alle gleichzeitig. Also alles öko in USA?

Dass die Bemühungen der US-Stadtplaner nur Tropfen auf heißen Asphalt sind, gibt Cramer zu. Er wirbt dennoch für ein differenziertes Bild: „Es gibt keinen Grund zu denken, die Amerikaner sind alle blöd und wir sind auf dem richtigen Weg.“ TILMAN GÜNTHER