Börsen-Bubble geplatzt

Mit der Insolvenz der France Télécom endet auch an Frankreichs Börsen der Telekom-Boom. Der Grund für die Krise: Überteuerte Übernahmen anderer Unternehmen

PARIS taz ■ Die spekulative Blase in der Telekommunikation ist auch in Frankreich geplatzt. Michel Bon, langjähriger Chef der France Télécom, des zweitgrößten Unternehmens der Branche in Europa, gab in Paris eine Rekordverschuldung von 70 Milliarden Euro bekannt. Bon übernahm persönlich die Verantwortung für mehrere Fehlinvestitionen, die am Ursprung des Schuldenbergs stehen – darunter jene in die deutsche Mobilcom – und reichte seinen Rücktritt ein.

In Frankreich hinterlässt er 150.000 Beschäftigte, die gleich mehrfach für die Misswirtschaft an der Spitze büßen müssen: Ihre Arbeitsplätze werden unsicher, der Wert der Aktien, die sie beim Börsengang ihres Unternehmens im Jahr 1997 erworben haben, liegt heute weit unter dem Kaufpreis, und zu allem Übel werden sie auch noch als SteuerzahlerInnen zur Entschuldung von France Télécom zur Kasse gebeten werden.

Paradoxerweise geht es dem Unternehmen France Télécom dennoch nicht schlecht. Parallel zu den Rekordverlusten stellte der scheidende Unternehmenschef Bon am Donnerstagabend in Paris „ausgezeichnete operationelle Resultate“ vor. Ihren Anstieg in diesem Jahr bezifferte er mit 52 Prozent oder 1,25 Milliarden Euro. Der Umsatz stieg 2002 um fast 14 Prozent oder 8,1 Milliarden Euro. Einzelne Bereiche, darunter der hauseigene Internetanbieter „wanadoo“ und das Handynetz „Orange“, florieren.

Die erdrückende Schuldenlast bei France Télécom ist das Ergebnis der Kaufwut der vergangenen Jahre. Seit seinem Börsengang im Jahr 1997 hatte das einst staatliche Unternehmen, wie auch die anderen privatisierten Telekom-Unternehmen in Europa, rasant expandiert. Die France Télécom kaufte sich in zahlreiche Unternehmen von Polen über Dänemark über die Schweiz bis nach Italien ein – und zahlte die spekulativ überhöhten Preise der Boomjahre. So legte France Télécom für den britischen Mobiltelefonanbieter Orange 45 Milliarden Euro hin.

Michel Bon hält jetzt als Sündenbock für diese Unternehmenspolitik her. Seit Bons Amtsantritt im Jahr 1995 war seine Expansionspolitik freilich sowohl von rechten als auch linken Regierungen gedeckt. Der konservative Premierminister Juppé, der Bon 1995 einsetzte, nannte „die Eroberung der europäischen Märkte“ als Ziel. Der sozialdemokratische Premierminster Jospin garantierte den Börsengang des Unternehmens.

Jetzt soll der Staat den Karren aus dem Dreck holen. Regierungschef Raffarin will sich zwei Wochen Zeit lassen: Um einen Nachfolger für die Spitze von France Télécom zu benennen, um einen „Restrukturierungsplan“ auszuarbeiten und um Angaben über die Höhe der Finanzspritze aus der Staatskasse zu machen. DOROTHEA HAHN