Erträglicher Schmerz

Eine schmerzfreie Geburt gibt es nicht. Um das Erlebnis positiv zu gestalten, hält die Frauenklinik Westend auch viele naturkundliche Angebote bereit

Geburtsschmerzen gehören zu den heftigsten, die Menschen kennen. Nur zu verständlich ist es, dass viele Frauen sich davor fürchten und alles tun würden, um diese lästigen Begleiter des freudigen Ereignisses von vornherein auszuschalten.

Gänzlich nehmen ließen sich die Schmerzen allerdings nicht, erklärt Heribert Kentenich, Chefarzt der Frauenklinik Westend. „Eine schmerzfreie Geburt ist nicht unser Ziel.“ Hauptziel sei vielmehr, die Geburt als positives Erlebnis erfahrbar zu machen, als „Life-Event“, der einen markanten Punkt im Leben darstelle. Die Schulmedizin werde häufig zu Recht dafür kritisiert, die Geburt weitgehend auf gesundheitliche Aspekte bei Mutter und Kind zu reduzieren. Sein eigener Ansatz, so Kentenich, sei eher psychosomatisch. So müsse neben der medizinischen auch die psychische Gesundheit von Mutter und Kind das Ziel aller Bemühungen sein. Daraus ergeben sich Wege, die individuell sehr unterschiedlich sein können. Dazu gehören im Westend nicht nur modernste medizinisch-technische Möglichkeiten, sondern auch naturheilkundliche Methoden wie Homöopathie, Akupunktur und traditionelle chinesische Medizin (s. Beitrag unten). Hebammen, Physiotherapeuten und Psychologen arbeiten in der Klinik eng mit den Ärzten zusammen.

Zunächst komme es darauf an, was zu einer Frau passe, womit sie sich wohlfühle und welche Behandlungsmethode sie brauche, um ihren ganz persönlichen „Life-Event“ zu erleben. Nicht jede Frau etwa sei, so Kentenich, offen für chinesische Medizin oder andere naturheilkundliche Behandlungsmethoden.

Geburtsvorbereitende Akupunktur könne wesentlich zu einer leichteren Geburt beitragen, Akupunktur unter der Geburt den Schmerz mildern. Sie wirke jedoch nicht immer, wenn eine Frau die Nadeln im Grunde ablehne. In der Naturheilkunde gebe es keine eindeutigen Nachweise dafür, dass die Methode selbst besser sei, als gar nichts zu tun, zum Beispiel wenn man sie anwendet, um ein Kind vom Po auf den Kopf zu drehen. Man weiß also nicht, ob das kleine Wesen im Uterus sich nun doch noch kurz vor der Geburt in die richtige Lage gebracht hat, weil die Mutter homöopathische Kügelchen schluckte, einfach spazieren ging, oder ob die Moxibustion die positive Wendung verursachte. Für viele Frauen ist jedoch der – zumal naturheilkundliche – aktive Versuch förderlicher als nur abzuwarten. Das müsse immer individuell entschieden werden, betont Kentenich.

Auch eine Peridualanästhesie (PDA) könne das Mittel der Wahl sein, wenn der Schmerz unerträglich sei, die Geburt nicht voran komme und die Gebärende buchstäblich vom Geschehen überwältigt werde. Während der Einsatz der PDA früher einen verlängerten Geburtsverlauf zur Folge hatte, ist das bei den heute gebräuchlichen niedrigeren Dosierungen nicht mehr zu befürchten. Auch ist eine PDA für das Kind am ungefährlichsten, weil hier, verglichen mit anderen Schmerzmitteln, die wenigsten Stoffe auf das Kind übergehen. Aufgeklärt werden sollten Frauen jedoch über das (geringe) Risiko von vorübergehenden starken Kopfschmerzen nach der Geburt.

Eine wesentliche Rolle im Zusammenhang mit Schmerz spielt die Angst. Geburt und Schwangerschaft sind ohnehin geprägt von einer größeren Ängstlichkeit der Frauen. Entscheidend ist also, Frauen diese Angst zu nehmen. Kentenichs Anliegen ist es deshalb, den Frauen größtmögliche Freiheiten einzuräumen und ihnen die Entscheidung der Wahl der Mittel zu überlassen. Auch die Familie, vor allem der Mann, sollte in den „Life-Event“ oder besser schon um seine Vorbereitung einbezogen werden.

„Vieles um die Geburt herum ist nicht tradiert genug“, betont Kentenich, und so trägt eine gute Geburtsvorbereiung dazu bei, die Angst vor dem Ereignis und dem damit verbundenen Schmerz zu nehmen. „Je informierter die Frau ist, umso weniger wird ihr etwas Angst machen können“, erklärt der Arzt und warnt jedoch gleichzeitig vor Überinformation, die bisweilen kontraproduktiv sein kann. Wer sich zur Geburt in eine vertraute Umgebung und bekannte Hände begibt, hat weniger Angst. Vorher den Kreißsaal und die Klinik gesehen zu haben ist dabei ebenso förderlich wie eine gute Beziehung zur Hebamme und zum Arzt. Das schafft Vertrauen. Kentenich: „Die Schulmedizin liegt falsch, wenn sie die Bedeutung der interpersonellen Medizin ausblendet. Die positive Beziehung zwischen Menschen muss vielmehr Grundlage der Behandlung sein.“

Die Klinik im Westend arbeitet seit 1995 mit diesem offenen Konzept. Mit Erfolg: Die Resonanz sei so gut, freut sich Kentenich, dass man die Kapazität auf 2.000 Geburten im Jahr begrenzen musste.

Wer also Lust auf einen besonderen „Life-Event“ hat, sollte sich beeilen: Heribert Kentenich empfiehlt eine möglichst frühzeitige Anmeldung zur Geburt. „Der Schwangerschaftstest sollte allerdings schon positiv sein.“

KATHARINA JABRANE

Frauen- und Kinderklinik Westend, Spandauer Damm 130, 14050 Berlin, Prof. Dr. Heribert Kentenich, Tel. 30 35 44 05; Kreißsaal: 30 35 44 10