Kleinkrieg in Khost

In Afghanistan sind viele der wieder aufflammenden Kämpfe auch das Resultat fragwürdiger Bündnisse der USA mit lokalen Warlords gegen al-Qaida und die Taliban

KABUL taz ■ Der Kampf um die östliche Provinzhauptstad Khost ist erst einmal entschieden. Nach vier Tagen gewannen am Mittwoch die Truppen des mit der Kabuler Übergangsregierung verbündeten Gouverneurs Abdul Hakim Taniwal die Oberhand in der Stadt. Ihre Gegner unter dem örtlichen Warlord Patscha Khan Sadran zogen sich in ihre Bergdörfer zurück. Lokale Stammesführer konnten Patscha Khan zudem von einem angekündigten Gegenschlag mit Raketen abhalten. Er hatte Khosts Einwohner schon aufgefordert, die Stadt zu verlassen, „um zivile Opfer zu vermeiden“.

Entschieden haben US-Truppen den Kampf, ohne direkt einzugreifen. Am Sonntag war Daniel McNeill, kommandierender General der 7.800 US-Soldaten in Afghanistan, höchstpersönlich nach Khost geflogen und hatte Patscha Khan gewarnt, die neue Anti-al-Qaida-Operation „Champion Strike“ weiter östlich im Barmal-Tal nicht zu behindern. Am Montag meldete die New York Times unter Berufung auf US-Geheimdienstquellen, Al-Qaida-Aktivisten „beginnen sich neu zu gruppieren und zurück nach Afghanistan zu wandern“. Inzwischen ging dabei laut CNN einer der Hauptfinanziers von al-Qaida ins Netz. Als Drohung gegen Patscha Khan ließ McNeill Hubschrauber über Khost kreisen. Und als Taniwals Truppen Patscha Khans Leute ein paar Kilometer aus der Stadt gedrängt hatten, rückte ein aus 25 Fahrzeugen bestehender US-Konvoi in die Stadt ein. Eine erneute Attacke Patscha Khans wäre dann auch eine auf die Amerikaner.

Der imposante, aber analphabetische Schnauzbart- und Turbanträger Patscha Khan Sadran plante schon vor dem 11. September den Sturz der Taliban, weshalb ihn im November die königstreue Rom-Gruppe in ihre Delegation für die Bonner Afghanistan-Konferenz berief. Beinah folgerichtig ernannte ihn Interimsstaatschef Hamid Karsai zum Gouverneur der Provinz Paktia. Als Patscha Khan zur Amtsübernahme antrat, brachen jedoch Schießereien aus. Ein örtlicher Stammesrat inklusive ehemaliger Taliban-Freunde erweckte in Kabul erfolgreich den Eindruck, Patscha Khan habe die Kämpfe verursacht. Karsai nahm die Berufung zurück. Patscha Khan fühlte sich brüskiert und griff zweimal erfolglos Paktias Hauptstadt Gardes an, musste sich aber schließlich nach Khost zurückziehen. Parallel stand er samt 300 Leuten im Sold der USA als Verbündeter im Kampf gegen al-Qaida.

Der Umgang mit ihm ist charakteristisch für das US-Vorgehen in Afghanistan. Ohne auf den politischen Kontext zu achten, verbünden sich die US-Truppen fast wahllos mit lokalen Warlords. Einer Befriedung Afghanistans dient das nicht, und die Arbeit der Friedenstruppe Isaf macht es nicht einfacher.

Im östlichen Kunar jagen 500 US-Elitesoldaten unterdessen einen weiteren ehemaligen US-Verbündeten – bisher ohne Erfolg. Gulbuddin Hekmatyar, der gute Kontakte zu Islamisten in der Kabuler Regierung hat, soll regelmäßig über die Grenze mit Pakistan wechseln. Vor ein paar Tagen traf er sogar Exstaatschef Burhanuddin Rabbani in dessen Heimatprovinz Badachschan.

Sechs Tage nachdem Hekmatyar den US-Truppen in Afghanistan den „heiligen Krieg“ erklärte und fünf Tage nach einem Bombenanschlag in Kabul mit über 20 Toten, wofür Hekmatyar als Hauptverdächtiger gilt, war sein Stellvertreter Qutbuddin Hilal im afghanischen Konsulat im pakistanischen Peschawar Ehrengast einer Gedenkveranstaltung für den vor einem Jahr ermordeten Ahmad Schah Massud. JAN HELLER