Kicken fürs einig Heimatland

Nord- und Südkorea spielen nach neun Jahren erstmals freundschaftlich Fußball, gehen Hand in Hand aufs Feld, singen gemeinsam und erzielen das politisch korrekte Resultat – 0:0!

aus Seoul ANDRÉ KUNZ

„Wir werden schnell und aggressiv spielen und wollen natürlich gewinnen!“ Das versicherte Park Hang Seo, der Trainer der südkoreanischen Nationalelf. Ri Jong Man, der die nordkoreanischen Kicker trainiert, sagte im Vorfeld des Spiels wenig, aber die entschlossene Miene verriet, dass er sich in dem seit neun Jahren ersten Freundschaftsspiel gegen die Brüder im Süden keine Blöße geben wollte. „Das ist weniger ein sportliches, als ein politisches Ereignis“, sagte Moon Yul-wan, ein 22-jähriger Student, der zusammen mit drei Freunden 45 Euro für einen erstklassigen Sitz ausgegeben hatte.

Als die Spieler vom Süden und vom Norden Hand in Hand einliefen und das alte Volkslied „Arirang“ gespielt wurde, sang Moon mit dem halben Stadion mit. „Jo Kuk Tong Il“ – „Ein einig Heimatland“ hallte es im Stadion. Tausende von Papierfähnchen mit der Vereinigungsflagge – der hellblaue Umriss der koreanischen Halbinsel auf weißem Grund – wurden geschwenkt.

Doch kaum war der Anpfiff geblasen, stellte sich trotz der Bemühungen der Organisatoren um politische Korrektheit schnell heraus, wem die Sympathien des Publikums gehörten. Nach dem Muster, das bei der Fußball-Weltmeisterschaft weltweit bekannt wurde, ertönte jedesmal der Schlachtruf „Dae Han Min Kuk“ – Republik Korea –, wenn die Südkoreaner gefährliche in die Nähe des gegnerischen Tores kamen. Und dann wurden die Südkorea-Fähnchen geschwenkt, die von der Vereinigung der Kriegsveteranen „politisch weniger korrekt“ ebenfalls vor dem Stadion verteilt worden waren. „Meine beiden älteren Brüder sind im Norden, und ich weiß nicht, ob ich sie noch jemals sehen werde“, klagte der 74-jährige Veteran Jung Sae Kun. Das Spiel sei für beide Seiten wichtig und ein Schritt zur Wiedervereinigung. Aber natürlich unter einer wichtigen Bedingung. „Südkorea gewinnt!“, tippte Jung selbstbewusst.

Im Stadion fiel auf, dass niemand für die Spieler aus dem Norden auch nur einen Anfeuerungsruf losließ. Höchstens mal ein erstauntes Ah und ein entsetztes Ouh, wenn es dem nordkoreanischen Mittelstürmer Kim Yong Jun gelang, mit Einzelvorstößen dem Tor des Südens gefährlich zu werden. Ohrenbetäubend fiel das Kreischen aus, wenn der K-Liga-Star Lee Dong Gok mit schnellen Dribbeleinlagen drei der nordkoreanischen Verteidiger austrickste und noch einen Schuss auf das gegnerische Tor abgab. Enttäuschtes Ouh folgte, wenn es den „Reds“ wieder nicht gelang eine gute Chancen zu verwerten, obwohl das Spiel in der zweiten Hälfte fast ausschließlich von den routinierten WM-Teilnehmern des Südens bestimmt wurde.

Als nach dem Schlusspfiff die beiden Mannschaften zusammen mit den Trainern eine riesige Vereinigungsflagge durch das Stadion trugen, hatten die Leute die Enttäuschung über das schwache Spiel der „Reds“ längst überwunden und sangen die Arirang-Volksweise noch einmal laut mit. Lee Gil-yung (36), der mit seiner ganzen Familie zum Spiel gekommen war, rieb sich am Ende die Augen. „Es wäre schön, wenn die Aussöhnung mit dem Norden auf solch faire Weise kommen könnte“, sagte der Bankangestellte und hielt seine vierjährige Tochter Mi-ja eng an sich gedrückt. „Ich hoffe, dass unsere Kinder das mal erleben dürfen.“