Gourmettreff mit Ambitionen

Das Ristorante Kellermann in Potsdam inszeniert nicht nur die beste italienische Küche Brandenburgs, sondern bietet in unregelmäßigen Abständen auch geistige Nahrung. Die lukullisch-musikalisch-literarischen Veranstaltungen sind gut besucht

„Es soll noch immer Gäste geben, die sich Parmesan auf Fischpasta streuen“

von HANNE BAHRA

Gäste können schon ganz schön nerven. Da verlangt doch ein Typ so lange ein noch blutigeres Steak, bis Küchenchefin Martha ihm entnervt ein rohes Stück Fleisch auf die Damasttischdecke knallt. Diese Szene aus dem Film „Bella Martha“ ist Seelenmassage für alle frustrierte Köche, Kellner und Restaurantbetreiber.

Als Max Dreier vor 12 Jahren begann, italienische Spitzenküche jenseits der Glienicker Brücke zu etablieren, meinten noch einige Leute ernsthaft, für diese Preise hätte er wenigstens die Nudeln gar kochen können. Heiliger Lukullus! Inzwischen isst man auch im Osten a l d e n t e. Doch soll es noch immer Gäste geben, die sich Parmesan auf Fischpasta streuen und zum Seeteufel Barolo trinken!!! Am liebsten würde der Gastronom mal eine Gästekritik schreiben…

Eigentlich ist Max Dreier Germanist und Politologe. Doch ein Forschungsauftrag in der Nähe von Florenz hat in ihm die Leidenschaft für italienischen Vino entfacht. Den Zwiespalt zwischen Wein und Wissenschaft entschied er 1980 zugunsten eines Weinimportunternehmens. War nun bald sein Berliner Club für Cultur und Culinaria beliebter Italoliebhabertreff, stachelten ihn in Potsdam die lobenden Worte der Gourmetkritiker an, aus dem ersten Ristorante in Potsdam ein Feinschmeckerlokal zu machen.

Inzwischen gilt die Villa Kellermann als das beste italienische Restaurant im ganzen Land Brandenburg. Doch immer wieder lockt es den Akademiker Dreier, sich auch um andere kulturelle Aspekte des Lebens zu kümmern. Ganz in der Tradition des Hauses, das schon früher Künstler beherbergte und zuletzt Sitz des DDR-Kulturbundes war.

Dreiers lukullisch-musikalisch-literarische Veranstaltungen sind gut besucht. In diesem Jahr konnte der im Rahmen des Potsdamer Filmsommers aufgeführte deutsch-österreichische Streifen „Bella Martha“, die Geschichte einer Köchin aus Leidenschaft, keinen schöneren Rahmen finden. „O sole mio“, beschwört der Sänger Dr. Chapussi den Himmel überm Heiligen See. Wind fegt das musikalische Abendgebet über die dunkle Wasserfläche, zerrt an Tischdecken und goldgelben Sonnenschirmen, die zur Not auch einen leichten Regen abhalten können. Die Leinwand bleibt vorerst zugerollt, Kissen und Decken verteilt – da bricht ein Sonnenstrahl durch die Wolken. Der Merlot in den Gläsern funkelt im Abendsonnenschein und die alte Villa am Ufer des Sees, der auf der gegenüberliegenden Seite die Wiesen des Neuen Gartens umspielt, entfaltet ihren ganzen Charme.

So vorsichtig man auch mit Superlativen umgehen sollte, an dieser Stelle lässt es sich nicht vermeiden: Von den Restaurantterrassen der Villa Kellermann hat man den schönsten „Potsdamer Blick“. Im Schloss gegenüber residierte einst Friedrich Wilhelm II., hier, in der Gründerzeitvilla, wohnten der kaiserliche Zeremonienmeister, Künstler und Diplomaten. Nach der Jahrhundertwende zog die Erbprinzessin Christina zu Salm-Salm ein, um ihrer besten Freundin, der Kronprinzessin Cecilie, nahe zu sein.

Das Ufer hier war schon immer Potsdams Nobeladresse. Jauch, Joop und Auermann sind die neuen Prominenten vom Heiligen See. Am VIP-Tisch des Abends duzt Jann Jacobs, der kommissarische Oberbürgermeister der Stadt, Wolfgang Joop, den Potsdamer, der nach „Jahren der Wanderung“ zeitweilig wieder am heimatlichen Ufer gelandet ist, Nachtschatten um die Augen vom Schreiben seines ersten Romans. Tausend Seiten in nur vier Wochen. Eine literarische Bindungssuche in den eigenen Wurzeln. „If you have many homes, you have no home“. Noch in den Vorspann des Films hinein schwärmt der Weltenbummler von den Menschen der Stadt, in der er immerhin die Hälfte seines Lebens verbracht hat, „eine inhomogene Gesellschaft, kritisch, aufgeschlossen, gar nicht deutschlandtypisch“, und von der eigenwilligen Schönheit hiesiger Frauen. Dazu gibt es Tiramisu. Eine Anspielung auf Szenen im Film wie zuvor die Gnocchi und das Weglassen des Hauptgangs. Letzteres vielleicht eine Warnung an notorisch nörgelnde Gäste.

Aber auch Kellner können komisch sein. „Für welche Zeitung schreiben Sie denn?“, fragt mich einer. „Für die taz? Da ist das Wasser gratis.“ Wer hat wohl an diesem Abend den Wein umsonst bekommen?

Ristorante Villa Kellermann, Mangerstraße 34–36, Tel. (03 31) 29 15 72, Di–So 12–24, Mo ab 18 Uhr