UMWELTENGEL STOIBER: DIE MEDIEN MACHEN ES IHM ZU LEICHT
: Und er bewegt sich doch nicht

Vier Wochen vor einem möglichen Machtwechsel im Bundestag hat es bereits einen Wachwechsel im Amt des Medienkanzlers gegeben: Die Republik erlebt einen Edmund Stoiber, der die Medien so trickreich für seine Zwecke nutzt, dass Gerhard Schröder brav wie ein Buchhalter wirkt. Die Metamorphose des Bayern hat allerdings nichts damit zu tun, dass er gerade Sätze sprechen kann. Vielmehr erzeugt Stoiber jetzt schon zum zweiten Mal in einer Woche den Eindruck, er bewege sich politisch auf die Mehrheit der Wähler zu – während er tatsächlich an alten Unionsdogmen festhält.

Wie die Illusionistennummer funktioniert, lässt sich an jedem Zeitungskiosk verfolgen – gestern in der Irak-Debatte, heute bei der Umweltpolitik. Ein Blick auf die Schlagzeilen vom Donnerstag erweckt den Anschein, der Kanzlerkandidat habe sich plötzlich gegen den Irak-Krieg gestellt. Stoiber kritisiert die USA, das gab es bisher nie! Und hatte er nicht beim TV-Duell noch jede Festlegung vermieden? Tatsächlich hat Stoiber das Gegenteil dessen getan, was sich drei Viertel aller Deutschen wünschen: Die Bevölkerung lehnt die deutsche Beteiligung an einem Irak-Krieg ab – Stoiber aber warnt die USA nur davor, alleine loszulegen. Ruft George Bush stattdessen die Verbündeten zu Hilfe und besorgt sich ein UN-Mandat, kann ein Kabinett Stoiber sich gut vorstellen mitzumachen.

Auch bei der Ökopolitik genügt dem Ministerpräsidenten ein Flutopfer-Auftritt im Bundestag und ein leicht umfrisiertes Sofortprogramm, das er heute in Berlin vorstellt, um als Umweltengel darzustehen. Vergessen ist die Blockadepolitik der Union beim naturverträglichen Ausbau der Donau, bei der Kraft-Wärme-Koppelung, bei den erneuerbaren Energien.

Die Medien machen es Stoiber zurzeit zu leicht. Ähnlich wie die SPD-Kampa messen sie den CSU-Chef am Zerrbild von Edmund, dem Holzfäller aus dem Bayerischen Wald. Von diesem Vergleich kann der Kandidat nur profitieren. Dabei kommt ihm ein weit verbreitetes Fastfood-Verständnis von Politik zugute: Es kommt nicht drauf an, was einer sagt, solange es nur irgendwie neu wirkt. Auf diese Weise wird aus dem Medienkanzler ein Bundeskanzler. PATRIK SCHWARZ