An der schönen braunen Donau

Um die Folgen des jüngsten Hochwassers gibt es Streit zwischen den Donauanrainern Ungarn und Slowakei

BERLIN taz ■ „Ohne Gabčikovo hätte es uns schwer getroffen“, davon ist Ivan Simko überzeugt. „Dem Kraftwerkssystem haben wir es zu verdanken, dass das Donauhochwasser keine nennenswerten Schäden anrichtete.“ Simko, Vorsitzender der Kommission für Katastrophenfragen, plädiert nun für einen weiteren Ausbau des Wasserkraftwerks – und riskiert einen erneuten Konflikt mit dem Nachbarn Ungarn.

Denn nur wenige Kilometer weiter stromabwärts wird diese Begeisterung nicht geteilt, dort ist man überzeugt, es war einfach Glück und keine menschliche Weitsicht, dass das Jahrhunderthochwasser vom deutschen Oberlauf der Donau beim Weiterfluss in Richtung Osten keine dramatischen Verwüstungen hinterließ. In der Slowakei und Ungarn überflutete das Donauwasser in den vergangenen zwei Wochen fast ausschließlich Polderfelder, Auwaldhaine und einige nahe gelegene Gehöfte – knapp 2.000 Menschen mussten kurzzeitig evakuiert werden.

Doch die Katastrophe könne noch kommen, wenn auch erst in einigen Monaten, warnen Umweltexperten in Budapest, denn das Grundwasser bei Gabčikovo sei aufgrund der großen Umleitungsmaßnahmen der Slowaken nachhaltig bedroht worden. Hintergrund: Als sich die Donauflut näherte, öffneten die Behörden in Bratislava die Schleusen am Kanalsystem, um so die schlammig-braunen Wassermassen in das alte Flußbett der Donau zurückzuleiten, das normalerweise nur als Rinnsal dahinfließt. Mit einem Schlag änderte sich der Grundwasserspiegel in der gesamten Region – mit möglicherweise verheerenden Folgen.

Denn unter dem Staugebiet entlang der gemeinsamen Staatsgrenze liegt das größte Grundwasserreservoir Mitteleuropas, wovon unter anderem die Zwei-Millionen-Metropole Budapest einen Großteil des Trinkwassers bezieht. Gabčikovo gilt deshalb für die Ungarn seit langem als Inbegriff für spätstalinistische Umweltzerstörung. Das 1977 begonnene und bis heute nicht völlig beendete Megaprojekt mit 25 Kilometern Länge und einer Breite von bis zu 730 Metern stellt in seiner Gigantomanie selbst den Suezkanal in den Schatten. Und da die Ungarn die Mitarbeit verweigern, kann Gabčikovo am anderen Ende des Kanalsystems nicht voll arbeiten – und das schon seit 1992.

Die Regierung in Bratislava bleibt dabei: Budapest sei bei der jetzigen Flutwelle nur von einer Springflut verschont geblieben, weil man die Wassermassen geschickt zwischen dem Kanalsystem und Donau-Altlauf ausbalanciere. Die Ungarn kontern, die Maßnahmen der Slowaken hätten den Strom nur um wenige Zentimeter gedrückt.

Was die Ungarn den Slowaken nicht danken wollen, rechnet die rumänische Regierung in Bukarest den Verantwortlichen in Bratislava hoch an. Durch die Maßnahmen der Slowaken habe man im Karpatenbogen viel Zeit gewonnen, um sich auf die Donauflut einzustellen – und letztlich durch gezieltes Öffnen von Rückhaltebecken etwa am Eisernen Tor und in dünn besiedelten Regionen größeren Schaden abzuwenden. Etwa 3.000 Häuser wurden durch Überschwemmungen beschädigt, jedoch nur 20 zerstört, heißt es in der offiziellen Statistik. Nicht das Donauwasser habe in den vergangenen Wochen Probleme bereitet, sondern kleine Flüsse und Bäche, die über die Ufer traten und deren Hochwasser über keinerlei Ausweichkanäle abgeleitet werden konnten.

Einige Politiker am rechten Rand glauben, ein aus kommunistischer Zeit unter Diktator Ceaușescu angedachtes Projekt könnte ähnlich wie das Projekt Gabčikovo Abhilfe schaffen: Sie wollen hinter dem Karpatenbogen die Donau einfach teilen und neben dem traditionellen Bett mit einem über 100 Kilometer langen Kanalsystem das vom Strom abseits gelegene Bukarest zur Donaustadt erklären – ein Albtraum für alle Umweltschützer. ROLAND HOFWILER