Kassel quotiert Budget, nicht Köpfe

Keine Frauenförderpläne mehr: Über feste Budgets für Frauen- und Männerjobs will das Regierungspräsidium Kassel neuen Wind in die Gleichstellungspolitik bringen. Sechzig Prozent des Geldes für Frauenstellen. Doch das Projekt birgt Risiken

„Frauenförderung wird nun endlich nicht mehr nur als Zwang betrachtet“

von HEIDE OESTREICH

Welche Behörde ächzt nicht unter dem Frauenförderplan? Behördenchefs und Personalräte, weil er ihnen unbequem ist, Frauenbeauftragte, weil er so schwer durchzusetzen ist.

Und auch der Rest der Welt stöhnt, weil man sich von Gleichstellungsgesetzen so viel erwartet hatte und sie doch so wenig bringen. Zu einfach kann man Zielvorgaben und Widerspruchsrechte austricksen, wenn man lieber den männlichen Lieblingskollegen fördern möchte.

Eine Frauenbeauftragte in Hessen hatte nun die Nase voll: Im Regierungspräsidium Kassel, einer etwa 1000-köpfigen Mittelbehörde zwischen Landesregierung und Landräten, handelte die Frauenbeauftragte Birgit Schäfer eine neue Form der Förderung aus: Nicht die Stellen, sondern das Budget wird quotiert.

Der Personalhaushalt sieht einen bestimmten Betrag für Neueinstellungen, Beförderungen oder Gehaltserhöhungen vor. Von diesem Betrag sollen nun 60 Prozent für Frauen und 40 für Männer ausgegeben werden.

„In unserer Behörde wird fast jedes Jahr umstrukturiert“, erklärt Schäfer, „der Frauenförderplan, der für sechs Jahre gemacht wird, war jedes Mal Makulatur, weil die eingeplanten Stellen gar nicht mehr vorhanden waren.“ Wegen anhaltender Wirkungslosigkeit des Förderplanes also schlug sie vor, Globalbudgets für Männer und Frauen zu bilden. „Jetzt muss die Behörde, wenn ihr Männerbudget aufgebraucht ist, Frauen einstellen. Da hilft nichts mehr“, hofft Schäfer.

Die Personalverantwortlichen können auch kreativer mit den Stellen umgehen: etwa Hierarchien abbauen und eine hoch bezahlte Stelle, bei der „die Männer schon Schlange stehen“, nicht besetzen und dafür zwei Angestellte einstellen, weil solche Stellen leichter mit Frauen zu besetzen sind.

Ein Modellprojekt ist das Vorhaben, denn es lässt auch viele Fragen offen: Wer garantiert, dass nicht das Männerbudget für Chefposten ausgegeben wird, während mit dem Frauenbudget ein Heer von Sekretärinnen und Putzfrauen eingestellt wird? So etwa lauten die Bedenken der Frauenbeauftragten im benachbarten Regierungspräsidium Gießen, Barbara Philipp. „Ich kann Widerspruch einlegen, wenn mein Plan nicht eingehalten wird. Wann soll denn die Frauenbeauftragte in Kassel Widerspruch einlegen? Es gibt ja keine verbindlichen Vorgaben mehr!“

Birgit Schäfer sieht nicht so schwarz: „Es ist klar, dass wir mit dem Budget das Ziel verfolgen, Frauen zu fördern. Ich bin weiter an den Maßnahmen beteiligt. Es ist auch klar, dass nun mehr diskutiert werden muss.“ Die neue Selbstverantwortung habe in der Behörde erst einmal die Stimmung merklich verbessert. „Die Frauenförderung wird nicht mehr als Zwang betrachtet, sondern als Mittel, die Humanressourcen besser auszuschöpfen“, meint Schäfer. Ihre Behördenchefin, Oda Scheibelhuber, sei jedenfalls gewonnen.

Kein Wunder, unken dagegen die Grünen im Hessischen Landtag. Frau Scheibelhuber ist ja auch von der CDU. Die Unions-Landesregierung habe solche Experimente vorgesehen, indem sie in das Hessische Gleichstellungsgesetz eine Experimentierklausel mit kleinem Pferdefuß eingefügt habe. Die besagt, dass man keinen Frauenförderplan mehr brauche, wenn man ein anderes innovatives Instrument zur Frauenförderung erprobe.

„Das ist der Wunsch aller Bürgermeister“, sagt Evelin Schönhut-Keil von den Grünen, „weg mit dem Frauenförderplan. Den hat die Unionsregierung ihnen nun erfüllt.“ Man müsse beides kombinieren, forderte die Opposition im Landtag, als das Gesetz im Juni dieses Jahres geändert wurde – allerdings vergeblich.

Ähnlich sieht es auch Barbara Philipp, die Frauenbeauftragte im Regierungspräsidium Gießen: „Dieses Budget, mit dem man gleichzeitig den verbindlichen Förderplan aufgibt, ist ein Rückschritt. Es ist der versteckte Ausstieg aus der Quote.“

Ob es das wirklich ist und ob der Ausstieg aus der Quote nicht auch eine Chance sein kann, kann nur der Ausgang des Kasseler Versuchs zeigen. Kleiner Tipp: Vielleicht wird man am Ende auch keinerlei Unterschied feststellen, weil ohnehin nur gespart und entlassen wird?