DIE TERRORLISTEN DER USA HEBELN DEN SCHWEDISCHEN RECHTSSTAAT AUS
: Europa muss gegenhalten

Ohne eigenes Verschulden sind zwei Somali-Schweden nach dem 11. September auf die Terrorliste der USA geraten. Im Rechtsstaat Schweden wurden Menschen ohne ein rechtlich abgesichertes Verfahren weltweit an den Pranger gestellt, ihre grundlegenden Freiheiten wurden eingeschränkt, ihnen wurde der Lebensunterhalt genommen. Die „Beweise“ für die Anschuldigungen Washingtons durfte niemand sehen. Den vermeintlichen Terroristen war es nicht möglich, ihren Status rechtlich prüfen zu lassen oder ihre Streichung von der Liste zu erreichen. Die schwedischen Behörden hatten europäischem Recht zu folgen, so wie Brüssel dem UN-Sicherheitsrat zu folgen hatte. Die nationalen Gerichte erklärten sich für unzuständig und verwiesen auf den EU-Gerichtshof in Luxemburg. Dort erklärte man sich zwar prinzipiell für zuständig, hatte es aber nicht eilig. In der Hauptsache versprach man, in zwei bis drei Jahren zu einem Urteil zu kommen, ob den Somali-Schweden nun Unrecht geschehe oder nicht.

Es ist offenbar, dass hier fundamental etwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Von den meisten Mitgliedsländern der Europäischen Union bislang einigermaßen allein gelassen, setzt man in Stockholm nun auf Brüssel. Dort, so die Forderung, müssen rechtlich abgesicherte, einheitliche Regeln für Terrorverdächtige geschaffen werden. Es kann nicht angehen, dass Verdächtige erst ihre Unschuld beweisen müssen, wie jetzt von Washington gefordert. Wenn schon die Vereinten Nationen und ihr Sanktionskomitee zu einem blinden Vollstrecker des Willens der US-Regierung verkommen zu sein scheinen, muss sich eben die EU klare Bestimmungen schaffen. Sie muss regeln, unter welchen Voraussetzungen Personen und Organisationen auf einer Liste landen, die ihnen weitgehend ihre Rechte nimmt. Die Anwälte der jetzt vom Terrorismusverdacht Befreiten wollen die Möglichkeiten untersuchen, nun die beteiligten Gremien oder Länder auf Schadensersatz zu verklagen. Sicherlich ein nicht uninteressanter Versuch, der Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Politik ist gefordert, schneller aktiv zu werden und umgehend für den fehlenden Rechtsschutz zu sorgen. Dass es diesmal schwedische Staatsbürger getroffen hatte, ist nur ein Zufall – in der Bundesrepublik könnte die Geschichte wohl ähnlich geschehen. REINHARD WOLFF