Keine Sonderfonds für Deutschland

Auch wenn jetzt alle von Solidarität reden – klar ist, dass es für die Flutopfer kein Geld geben wird, das für andere EU-Staaten eingeplant ist. Selbst Umschichtungen in Deutschland müssen geprüft werden

BRÜSSEL taz ■ Auch einen Tag nach dem Flutkrisengipfel in Berlin blieb gestern weiter unklar, in welcher Höhe sich die EU an der Wiederaufbauhilfe beteiligen will. Während Haushaltskommissarin Michaele Schreyer in einem Rundfunkinterview bestätigte, dass 5 Milliarden Euro zugesichert seien, dämpfte Erweiterungskommissar Günter Verheugen die Erwartungen: Gerade Deutschland habe in der Vergangenheit auf strikte Spardisziplin in Brüssel gedrängt. Sonderfonds werde es nicht geben, allenfalls könnten bereits zugesagte Mittel anders verwendet werden.

Ein Kommissionssprecher betonte gestern in Brüssel, weder der Bundeskanzler noch Kommissionspräsident Romano Prodi hätten bei dem Treffen in Berlin konkrete Zahlen genannt. Die Strukturfondsmittel seien bis 2006 fest verplant und auf die Mitgliedsstaaten verteilt. Es sei undenkbar, das 1999 mühsam geschnürte Kompromisspaket wieder aufzudröseln. Deutschland erhalte für diesen Zeitraum insgesamt 29,8 Milliarden Euro. Derzeit prüfe die Kommission, wie viel davon schon ausgegeben oder fest zugesagt sei. Keinesfalls könnten Mittel aus anderen Mitgliedsstaaten auf die Krisengebiete übertragen werden. Ob es allerdings möglich sei, innerhalb Deutschlands zum Beispiel für Mecklenburg-Vorpommern bereitgestellte und noch nicht vergebene Gelder nun in Sachsen oder Sachsen-Anhalt für Flutschäden zu verwenden, werde derzeit in der Kommission geprüft.

Lediglich 1,2 Milliarden Euro – 4 Prozent der für Deutschland eingeplanten Strukturförderung – stehen garantiert zur Verfügung. Sie bilden die „Flexibilitätsreserve“, die von der Kommission für unvorhergesehene Ausgaben zurückgelegt wird. Ursprünglich hätte sie 2003 zur Halbzeit der Finanzperiode verplant werden sollen. Der Kommissionssprecher ging gestern davon aus, dass sie für die Flutschäden zur Verfügung gestellt wird.

Ähnlich war die Kommission auch 1999 bei dem schweren Erdbeben in Griechenland verfahren. Auch für die Somme-Flut 2001 und Beseitigung von Unwetterschäden in Madeira und auf den Azoren im April dieses Jahres hatten Frankreich und Portugal jeweils Mittel aus der Flexibilitätsreserve erhalten.

Bereits am Donnerstag hatte die EU-Kommission Hilfsmaßnahmen für geschädigte Landwirte angekündigt. Sie kann in diesem Bereich wesentlich schneller reagieren, da die Mittel nicht, wie bei den Strukturfonds, fest auf die Mitgliedsstaaten verteilt sind und alle Hilfsprojekte von ihnen mitfinanziert werden müssen. Agrarkommissar Franz Fischler kündigte an, Direktzahlungen für Landwirte, die erst zum Jahresende fällig werden, vorzuziehen. Brachflächen sollen vorübergehend als Weideland genutzt werden können, ohne dass die Stilllegungsprämie entfällt. Staaten sollen ihre Unterstützung für ländliche Entwicklungsprogramme erhöhen können und zur Entschädigung für Naturkatastrophen staatliche Hilfen zahlen dürfen, ohne dass die EU dies als Verletzung der Wettbewerbsregeln ansieht.

DANIELA WEINGÄRTNER