Letzte Runde um halb zehn

Entscheidung im Friedrichshainer Kneipenkrieg: Die Wirte dürfen ab Ende August nach 21:30 Uhr draußen keine Gäste mehr bedienen. Und ab 22 Uhr ist Sense. Bezirksamt verschickt jetzt Bescheide

von SIMON JÄGGI

Die Freilufttrinker werden schlucken. Im Friedrichshainer Kneipenkrieg ist eine Zwischenentscheidung gefallen: Ab Ende August dürfen die Kneipen in der Simon-Dach-Straße und im umliegenden Kiez ab 21:30 Uhr die Sitzplätze auf den Bürgersteigen nicht mehr bedienen. Der zuständige Baustadtrat Franz Schulz (Grüne) sieht sich gezwungen, noch in dieser Woche entsprechende Bescheide an die rund 110 betroffenen Wirte versenden. Bis zum 27. August soll die neue Regelung durchgesetzt sein, denn dann läuft ein Ultimatum der Anwohner ab.

„Ich will eine Klage verhindern“, sagt Baustadtrat Schulz. Die Anwohner-Initiative „Die Aufgeweckten“ ist nämlich erst zu einem Dialog bereit, wenn ihre Hauptforderung – ein Ausschankstopp ab 22 Uhr – umgesetzt ist. Andernfalls will sie vor das Verwaltungsgericht ziehen. Schulz fürchtet, dass eine Klage noch restriktivere Maßnahmen nach sich ziehen würde.

Aber die Wirte wollen die neue Regelung nicht akzeptieren. „Wir prüfen auf politischer und rechtlicher Ebene, ob wir den Ausschankstopp noch abwenden können“, meint Wirtevertretter Michael Näckel vom Zusammenschluss „Wir(te) für Friedrichshain“. Die Wirte fürchten hohe finanzielle Einbußen. Faktisch bedeutet die Regelung, dass um 21:30 Uhr letzte Runde ist. Bis 22 Uhr müssen die Stühle weggeräumt sein. Das Bezirksamt hat angekündigt, dies zu überprüfen. Hält sich ein Kneipier nicht daran, muss er mit einer Ordnungswidrigkeitsanzeige rechnen. Im schlimmsten Fall droht gar ein Entzug der Gaststättenlizenz. „Ich hoffe, dass wir auf die Hilfe der Polizei verzichten können“, so Baustadtrat Schulz.

Die Anwohner-Initiative will sich zu der jüngsten Entwicklung nicht äußern. Sie erwartet Taten. „Wir wurden jahrlang mit Versprechungen und Fehlinformationen hingehalten“, heißt es in einer Stellungsnahme im Internet. Schulz verspricht aber Linderung: „Wir wollen uns kümmern, dass bei lauter Musik in der Kneipe die Fenster geschlossen werden.“

Seit Jahren schwellt der Konflikt zwischen Anwohnern und Wirten. Seit der Klagedrohung der Anwohner-Initiative Ende Juli ist im Boxhagener Kiez jedoch ein regelrechter Kneipenkrieg entflammt. Baustadtrat Schulz versprach noch vor zwei Wochen, zwischen den Streithähnen zu vermitteln. Die Bemühungen, die Konfliktparteien an einen Tisch zu bringen, sind aber bislang gescheitert. Schulz: „Ich bin enttäuscht über die negative Entwicklung.“

Die Lage im Kiez könnte verfahrener nicht sein. Baustadtrat Schulz gerät immer mehr zwischen die Fronten. Anwohner werfen ihm vor, Partei für die Wirte zu nehmen und den Kiez zur Vergnügungsmeile machen zu wollen. Die Kneipiere fühlen sich schlecht informiert vom Bezirksamt. Dagegen klagt Schulz über die Wirte: „Sie haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen.“ Die Sommersaison dauert schließlich noch bis in den Oktober – und Friedrichshain erwartet noch einige heiße Kneipennächte.