Die Grünen hatten einen Kameraden

Horst Oellers, Volkstribun gegen das Daimler-Motodrom in Boxberg, verlässt die Grünen. Wegen „Rezzo, dem Bonzen“

BERLIN taz ■ Es gab einen Moment, da hatte Horst Oellers regelrecht Angst. 1986, grün-alternative Aktivisten versuchten gerade ein Waldstück im badischen Boxberg zu schützen, griff sich ein Polizeitrupp den damaligen grünen Landtagsabgeordneten Rezzo Schlauch. „Plötzlich sah ich aus einem Pulk von Bullen oben nur noch die Füße von Rezzo herausschauen“, erzählt Oellers, damals der Feldherr der Alternativen. „Die haben den Rezzo mit dem Kopf in den Waldboden gerammt.“

Gestern wurde Rezzo Schlauch wieder gerammt – diesmal von seinem damaligen Mitstreiter. „Ich bin fertig mit dem Bonzen Rezzo“, schimpft Oellers. Vor einer Woche schon verlangte er den Rücktritt von Schlauch, dem heutigen grünen Fraktionschef im Bundestag. Weil Schlauch dem Ultimatum nicht folgte, kehrt Oellers den Grünen jetzt den Rücken. Das Ende einer langen politischen Freundschaft. Seit Ende der 70er-Jahre leisteten Oellers, Schlauch und viele andere Naturschützer Seit an Seit Widerstand. Sie protestierten gegen eine weitläufige Teststrecke von Daimler-Benz im Main-Tauber-Kreis. 700 Hektar Land hätte der Autokonzern für ein Motodrom zugebaut, 90.000 Bäume wären gefallen.

Horst Oellers, 63 Jahre alt und heute noch schwer aktiv beim grün-alternativen Netzwerks „Bundschuh“, ist verärgert über Schlauch. Oellers stinkt, dass sein Kamerad mit dienstlich erworbenen Bonusmeilen nach Bangkok flog – und sich so 7.000 Euro sparte. Richtig kirre aber macht Oellers, dass Schlauch die Bundestags-Billigfliegerei als lässliche Sünde aussitzen will. „Hast du dich gelegentlich schon mal gefragt, was dich eigentlich noch von den Leuten unterscheidet, deren Politik wir vor 20 Jahren gemeinsam bekämpft haben“, fragte Oellers den Fraktionssprecher in einem offenen Brief.

Rezzo Schlauch weiß, wo seine Wurzeln sind. Er rief zweimal bei Oellers an, um den grünen Volkshelden umzustimmen. Erfolg hatte Schlauch keinen – weil der Robin Hood der enteigneten Boxberger Bauern heute noch mit der einstigen Kühnheit gegen die Großen zu kämpfen weiß. „Du kannst“, sagte Oellers zu Schlauch, „meinen Austritt bei den Grünen nur verhindern, wenn du zurücktrittst.“ Der Bundschuh-Mann glaubt, dass Schlauch den Grünen schade – und daher nur noch das Recht auf „einen schönen Ruhestand als politischer Pensionär“ habe.

Könnte es sein, dass auch die rabiaten Demissionswünsche von Oellers den Grünen schaden? Auf so etwas geht der Mann aus Boxberg gar nicht erst ein. „Wie kann ein Rezzo Schlauch nur auf die Idee kommen, diese Affäre ohne Rücktritt überstehen zu können?“ CIF/NIK