Wegbereiter aller Alternativentwürfe

Nicht nur die Beatniks beeinflussten die Woodstockgeneration. Auch der Rock’n’Roll (samt Elvis Presley) revolutionierte seit Mitte der Fünfzigerjahre das herkömmliche Musikverständnis. Zusammen mit der Bürgerrechtsbewegung gegen den Rassismus unterstützte die Folk- und Liedermacherszene den Kampf der Schwarzen. Lieder wie This Land Is My Land von Woody Guthrie, Where Have All The Flowers Gone von Pete Seeger und die Songs von Joan Baez wurden zu Hits (nicht nur) auf Demonstrationen und bei Bürgerrechtsaktionen.

Auch die Musik der Schwarzen, Blues und Gospel, wurde allmählich populär. Ende der Fünfzigerjahre begann der Siegeszug eines Plattenlabels, das ausschließlich schwarzen Künstlern vorbehalten war: Motown. Musiker wie Diana Ross oder Marvin Gaye wurden weltberühmt. Die Woodstockgeneration mochte sie allerdings eher nicht – sie bevorzugte eher Sounds mit offenkundig rebellischem Touch, Richie Havens zum Beispiel oder Edwin Starr.

Eine neue Art des Reisens wurde seit Ende der Fünfzigerjahre kreiert: das Trampen. Keine festen Ziele haben, Menschen und ferne Länder kennen lernen, sich treiben lassen, das war das Credo der Rucksacktouristen. Beliebteste Ziele waren zunächst Indien, Nepal und der Himalaja, in Europa vor allem Griechenland, inspiriert vor allem durch den Film Alexis Zorbas.

Auch die Sehnsuchtslektüren änderten sich, die Suche nach dem eigentlich Wichtigen im Leben, die Irrungen und Wirrungen der Jugend machten Titel wie „Der Steppenwolf“ von Hermann Hesse oder auch Herbert Marcuses „Der eindimensionale Mensch“ (1964 erschienen) zu Bestsellern. Der gebürtige Deutsche, der vor den Nazis in die USA floh, formulierte, der Kapitalismus zwinge zum Geldverdienen, ließe nur die Stärksten überleben – und entfremde den Menschen vom richtigen Leben.

In den Sechzigerjahren begannen alle alternativen Bewegungen mit ihrer Geburt, zunächst inspiriert durch Bücher: 1962 erschien in den USA Rachel Carsons Silent Spring, das als erstes auf die Gefahren des Einsatzes von Pestiziden und auf die Naturverschmutzung hinwies. James Baldwin, einer der wichtigsten schwarzen Schriftsteller, klagte in The Fire Next Time den Rassismus der weißen Bevölkerung an. Betty Friedans Der Weiblichkeitswahn, 1963 publiziert, war nicht das erste, aber das wichtigste Werk des frühen Feminismus.

Stanley Kubrick kritisierte 1964 in seinem Film Dr. Seltsam oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben den Wahn der Militärs im Pentagon, überall kommunistische Verschwörungen zu wittern. Die Woodstockgeneration verstand den Film auch als Kritik an den Verfolgungen der McCarthy-Ära Anfang der Fünfzigerjahre, als jedes sozialkritische Engagement automatisch als landesverräterisch galt.

Schon im Jahrzehnt vor Woodstock wurde gesät, was die Alternativbewegungen zu ernten beabsichtigten: James Dean in seinen Filmen – etwa in Sie wissen nicht, was sie tun – war das Vorbild für jene Jugendlichen, die anders als ihre Eltern sein wollten.

Bob Dylan drückte das Lebensgefühl der Zeit in seinem Lied The Times They Are A-Changing so aus: „Mütter und Väter draußen im Land, kritisiert nicht, was ihr nicht verstehen könnt; eure Söhne und Töchter entziehen sich eurem Kommando.“

ANGELIKA FRIEDL