Schönbohm muss jetzt auspacken

Brandenburgs Innenminister steht im Zwielicht. Nun soll er zur V-Mann-Praxis seiner Sicherheitsbehörden Stellung nehmen. Parlamentarische Kontrollkomission will die Fälle von zwei mutmaßlichen Informanten aus der Neonaziszene aufrollen

von HEIKE KLEFFNER

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) ist wegen seines Umgangs mit V-Leuten seit Wochen unter Druck. Heute will er öffentlich zur Affäre um einen Neonazi und V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes Stellung nehmen, der Straftaten verübt haben soll.

Schönbohms Koalitionspartner SPD warnte den Innenminister gestern, die Fragen zu der Affäre „als Wahlkampfgetöse abzutun“. Es dürfe „nicht einmal der Anschein entstehen,“ sagte SPD-Landesgeschäftsführer Günther Ness, dass durch Verfassungsschutzaktivitäten rechtsextreme Strukturen „gedeckt oder gar gefördert“ würden.

Die Situation für Schönbohm hatte sich nach Berichten von taz und SFB verschärft. Danach habe ein weiterer brandenburgischer Neonazimusikhändler als mutmaßlicher Informant einer Schönbohm-Behörde gedient – dem Brandenburger Landeskriminalamtes (LKA). Schönbohm dementierte die Berichte – obwohl zuvor ein Sprecher seines Ministeriums jegliche Stellungnahme zum Fall Sven S. abgelehnt hatte. „Wir können keine Aussagen über operative Vorgänge und Verfahren machen“, sagte Wolfgang Brand.

Sven S. soll ausweislich eines Aktenvermerks im Verfahren um die Fortführung des verbotenen Neonazinetzwerks Blood & Honour als Informant des LKAs geführt worden sein. Die zuständige Staatsanwaltschaft Halle und Sicherheitskreise bestätigten die Authentizität des Vermerks.

Gegenüber der taz behauptete Sven S., ihm sei vor einigen Tagen eine Aufnahme ins Zeugenschutzprogramm des LKA angeboten worden. Weiter behauptete S., er habe dieses Angebot abgelehnt. S. bestreitet, als Informant tätig gewesen zu sein und Aussagen gemacht zu haben.

Die innenpolitische Sprecherin der brandenburgischen PDS-Landtagsfraktion, Kerstin Kaiser-Nicht, kündigte an, sie werde bei der heutigen Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) Aufklärung verlangen. „Es muss nachgefragt werden, wie der Vermerk zustande kam und wie das Innenministerium ihn bewertet“, so Kaiser-Nicht. Ein Vertreter des Potsdamer Innenministeriums soll heute der vierköpfigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK), die die Arbeit des Verfassungsschutz überwachen soll, Rede und Antwort stehen. Im Mittelpunkt steht dabei die Affäre um den vor drei Wochen bei einem Neonazikonzert in Berlin festgenommenen V-Mann des brandenburgischen Verfassungsschutzes Toni S.

Neben den Pannen bei seiner Enttarnung durch Berliner Ermittler soll auch geklärt werden, inwieweit der Verfassungsschutz über Straftaten des V-Mannes informiert war und ihn gewähren ließ. Schönbohm hat bislang Fehler seiner Behörde bestritten. Derweil ermittelt die Berliner Justiz auch gegen den V-Mann-Führer von Toni S. wegen Strafvereitelung im Amt.

„V-Leute dürfen keine Straftaten begehen“, sagt hingegen der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz. „Ansonsten muss der V-Mann abgeschaltet werden.“ Das Geheimdienstkontrollgremium das Bundestages muss sich ebenfalls mit einem straffällig gewordenen V-Mann aus der Neonazi-Musikszene beschäftigen. Der sächsische Rechtsextremist soll für das Bundesamt für Verfassungsschutz gearbeitet haben.