Nigerias Demokratie schlittert in die Krise

Präsident und Parlament im offenen Krieg. Die Wahlen 2003 und der Erfolg der Demokratisierung sind gefährdet

BERLIN taz ■ Die beiden höchsten gewählten Institutionen der jungen Demokratie Nigerias haben einander den Krieg erklärt. Das Unterhaus des Parlaments forderte Präsident Olusegun Obasanjo am Dienstag mit überwältigender Mehrheit auf, „wegen monumentaler Unzulänglichkeiten, Unfähigkeit und ständigem Ignorieren des Gesetzes innerhalb von zwei Wochen als Präsident und Oberkommandierender der Bundesrepublik Nigeria zurückzutreten“. Sämtliche Probleme des Landes wurden zur Begründung aufgeführt.

Die Regierung von Präsident Obasanjo ordnete ihrerseits am gleichen Tag eine umfassende Korruptionsuntersuchung gegen Parlament, Justiz, Wahlkommission und die wichtigsten Ministerien an. Regierungssprecher Jerry Gana sagte, Korruption und Verschwendung seien an der Tagesordnung.

Sowohl Präsident Obasanjo wie auch das Parlament gingen 1999 aus den ersten freien Wahlen Nigerias nach Ende von 16 Jahren Militärdiktatur hervor. Ihr offener Streit ist die bisher gravierendste Manifestation einer um sich greifenden Blockade aller Institutionen des neuen Zivilregimes. So hat Nigeria immer noch keinen Staatshaushalt für 2002, weil Parlament und Präsident sich seit April widersprüchliche Haushaltsentwürfe hin und her schicken. Daher kann die Regierung dieses Jahr keine größeren Investitionen tätigen, während Nigerias 120 Millionen Einwohner immer tiefer in Armut versinken.

Die Amtszeit der gewählten Kommunalverwaltungen lief im April aus, aber neue Kommunalwahlen wurden gerade erst vom 10. August auf unbestimmte Zeit verschoben, weil die Wahlkommission noch nicht vorbereitet ist. Der jüngste vom Parlament verabschiedete Entwurf eines neuen Wahlgesetzes, der neben den Kommunalwahlen auch die für April 2003 angesetzten nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen regeln soll, ist im Juli vom Präsidenten mit einem Veto belegt worden – unter anderem, weil der Entwurf die Wahlkommission ermächtigte, Wahlen auch ohne die weithin als notwendig erachtete Überarbeitung des Wahlregisters abzuhalten.

Während Bevölkerung und Politiker 1999 noch froh waren, überhaupt aus der Militärdiktatur herauszutreten, werden sie beim nächsten Wahltermin die damals beobachteten Unzulänglichkeiten bei der Wahlvorbereitung nicht erneut hinnehmen, schätzen nigerianische Kommentatoren. Aber ob die nächsten Wahlen 2003 überhaupt stattfinden können, wird nun immer unsicherer. Von ihrem Erfolg hängt allerdings ab, ob Nigeria zum ersten Mal seit der Unabhängigkeit 1960 eine stabile Demokratie bekommt und die Zeit der Militärputsche hinter sich lässt. DOMINIC JOHNSON