Polen: Wirbel um Reich-Ranicki

WARSCHAU taz ■ Die Veröffentlichung der Personalakte von Marcel Reich-Ranicki aus der Frühzeit des polnischen Stalinismus hat in Polen für große Aufregung gesorgt. Gleich zwei Zeitungen haben darüber berichtet. Weniger allerdings deshalb, weil in der Akte etwas stünde, was man zuvor nicht gewusst hätte, sondern weil Geheimdienstakten bislang nicht zugänglich waren. Das Institut des Nationalen Gedenkens, das polnische Gegenstück zur deutschen Birthler-Behörde, hat bereits Ende letzten Jahres die polnischen Stasiakten für Forschungszwecke freigegeben, doch bislang hat kein Journalist davon Gebrauch gemacht. Gerhard Gnauck, Polen-Korrespondent der Welt, war der Erste, der die nun freigegebene Personalakte Marcel Reich-Ranickis einsah. Die Aufregung ist deshalb so groß, weil der „Fall Reich-Ranicki“ sämtliche Vorurteile in Polen über Juden bestätigt. Für Polen ist Reich-Ranicki ein Verräter in doppelter Hinsicht: Erst hat er mit den Kommunisten zusammengearbeitet, dann ist er auch noch ins „Land der Täter“ gefahren. Nicht eingesehen hat Gnauck bislang die „operationelle Akte“, in der nachzulesen sein wird, was Reich-Ranicki als polnischer Agent tatsächlich getan hat oder eben nicht. gl

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