Der ganz große V-Mann-Salat

Bundesanwaltschaft schaltet sich ein. Auch V-Mann des Bundesverfassungsschutzes soll rechte CDs vertrieben haben

Während der seit rund drei Wochen in Untersuchungshaft sitzende brandenburgische V-Mann Toni S. gestern seinen Antrag auf Überprüfung des Haftbefehls überraschend zurückzog und damit weiter hinter Gittern bleibt, eskaliert der politische Streit. Die Bundesanwaltschaft bestätigte, dass Brandenburgs Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin zu einem Gespräch gebeten wurde. Geklärt werden soll, ob der V-Mann an der Produktion der CD „Ran an den Feind“ der Neonaziband „Landser“ beteiligt und sein V-Mann-Führer darüber informiert war.

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen Landser unter dem Verdacht einer „kriminellen Vereinigung“. Toni S. soll eingeräumt haben, das Booklet der CD erstellt zu haben. In den Texten wird unverhohlen zum Mord an Schwarzen, Juden und Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg aufgerufen.

Mitten in der Affäre, bei der längst die Rolle der Geheimdienste in rechtsextremen Netzwerken zu Produktion, Vertrieb und Erstellung neonazistischer Hassmusik zum Hauptproblem geworden ist, findet sich auch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Das soll nach Informationen des Spiegels ebenfalls einen V-Mann geführt haben, der den Vertrieb der Landser-CD von Sachsen aus organisierte. Gegen den mutmaßlichen Informanten Mirko H. ermittelt derzeit die Generalstaatsanwaltschaft Sachsen wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, bei den militanten „Hammerskins“. Mirko H. betrieb über Jahre hinweg im großen Stil den Vertrieb rechtsextremistischer CDs.

Auf lokaler Ebene sollte die Schlammschlacht zwischen Berliner und Brandenburger Sicherheitsbehörden gestern mit einem Treffen der Innenstaatssekretäre beigelegt werden. Eine ähnliche Zusammenkunft zeitigte bislang wenig Wirkung. Zuletzt hatte am Wochenende Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) den Berliner Sicherheitsbehörden unter anderem vorgeworfen, sie hätten zum Beispiel Telefonabhörprotokolle an die Medien weitergegeben. Gegen Schönbohms Vorwurf von „Indiskretionen im unerträglichen Ausmaß“ wehrte sich die Berliner Innenverwaltung prompt. Gleichzeitig wurde eingeräumt, dass intern untersucht wird, ob Informationen gegen Geldzahlungen an Medienvertreter weitergegeben wurden.

Auf Schönbohms Eingeständnis, man habe von den Straftaten des V-Mannes gewusst, reagierte die innenpolitische Sprecherin der PDS-Landtagsfraktion, Kerstin Kaiser-Nicht, mit der Forderung, für Mittwoch eine Sondersitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) einzuberufen. Die PDS verlangt unter anderem eine Dienstvorschrift über Propagandastraftaten, die V-Männer begehen dürften. Eine derartige Vorschrift würde zwar im Landesgesetz für den Verfassungsschutz genannt, existiere in der Praxis des Geheimdiensts aber nicht. Die Berliner Grünen verlangten hingegen den Rücktritt des Innenministers. Ihr Vizefraktionschef Volker Ratzmann sagte, die Straftaten von Toni S. seien durch das brandenburgische Verfassungsschutzgesetz nicht gedeckt gewesen. Dort sei geregelt, dass V-Leute keine Straftaten begehen dürften.

Demgegenüber betonte der Vorsitzende der brandenburgischen PKK, Christoph Schulze (SPD), die Kommission werde sich erst am 22. August in einer vorgezogenen Sitzung mit dem Fall Toni S. beschäftigen. Schulze stellte sich indirekt weiter hinter den unter Druck geratenen Verfassungsschutzleiter, Heiner Wegesin, und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), indem er die Affäre als „völlig aufgebauscht“ bezeichnete. Auch wiederholte er den Vorwurf der brandenburgischen Sicherheitsbehörden gegen die Berliner Ermittler.

HEIKE KLEFFNER