Kleinkredite für die Zukunft

von CORDULA KROPKE
(Fotos) und KERSTIN KILANOWSKI (Text)

Gelassen wedelt Salimata Diabate Sand und Fliegen von ihrem Stand. Ihr Angebot ähnelt einem Kunstwerk: ein Dutzend Suppenwürfel, akkurat gefaltete Tütchen mit Pfefferkörnern, Pyramiden aus Tomaten und Zwiebeln, eine Reihe Süßkartoffeln und Trockenfisch. „Mein Tisch“, sagt Salimata Diabate Sand, wenn sie von ihrem petit commerce auf der Dorfstraße von Ndiebel spricht. Die Produkte ersteht sie in Kaolack, der drittgrößten Stadt Senegals. Wie hoch die Gewinnspanne ist, mag die Händlerin nicht erzählen, denn das halbe Dorf hört mit. Den Profit zahlt Salimata in die Dorfsparkasse ein, von der sie 1996 einen Kleinkredit über umgerechnet 46 Euro bekam. Damit kaufte sie die ersten Waren, um einen Marktstand zu eröffnen.

Für die offiziellen Bankinstitute sind solche Kleinunternehmerinnen keine seriöse Kundschaft. Ohne Landbesitz, ohne finanzielle Rücklagen gibt es keinen Kredit, und damit sind alle Zukunftspläne für eine gesicherte Existenz schon im Ansatz gescheitert. Weder wird ein Ochsengespann die Felder effektiver pflügen noch der Dünger die Ernteerträge steigern. Keine Nähmaschine für die Schneiderin, keine Ölmühle für die Bäuerin. Von den weltweit 1,3 Milliarden Armen sind zwei Drittel Frauen. Weil sie keinen Zugang zu Finanzquellen haben, leben sie von der Hand in den Mund, ohne Perspektive auf ein Morgen.

Genossenschaftliche Dorfsparkassen werden für Leute wie Salimata gegründet, informelle Banken für Arme, die sich mit einem Kleinkredit eine Existenzgrundlage aufbauen wollen.

Oberstes Prinzip: Nur wer regelmäßig Spareinlagen zahlt, kann zinsgünstiges Geld leihen. Kleinhändlerinnen erhalten maximal 75.000 CFA (115 Euro) Kredit. In spätestens drei Monaten müssen die Schulden inklusive fünf Prozent Zinsen abbezahlt sein.

Inzwischen hat die Dorfsparkasse 135 Mitglieder, die meisten sind Frauen. Der Schatzmeisterin Arona Diop ist das so auch lieber. „Frauen sind die zuverlässigeren Rückzahlerinnen. Sie investieren in die vereinbarten Projekte und verplempern das Geld nicht für persönliche Anschaffungen.“

Einmal in der Woche trägt Arona Diop in einer schwarzen Kladde die Ersparnisse der Dorffrauen ein. Die gelernte Buchhalterin lässt keinen Zweifel aufkommen: „Zurückzahlen muss jeder, ob die Ernte ausbleibt oder das Kalb stirbt. Unsere Kasse ist nah an den Leuten dran, sie ermahnen sich gegenseitig zu pünktlicher Rückzahlung.“ Eine Million CFA (1.500 Euro) haben die Sparerinnen auf diese Weise zusammengetragen.

Mit dem selben Betrag stockte die Deutsche Welthungerhilfe das Budget auf. Auch wenn die Rücklagen im europäischen Maßstab gering scheinen – den senegalesischen Bäuerinnen gibt die Dorfsparkasse Mut für neue Ideen. Eine Bewässerungsanlage würde die Feldarbeit erleichtern; mit einer Mühle könnte man teures Sesamöl herstellen; ein Alphabetisierungskurs, eine gemeinschaftliche Geflügelzucht … Manchmal geht auch etwas schief. Kürzlich hat Salimata Diabate mit Mangos 2.000 CFA Verlust gemacht. Auf einer Feier wurde sie als bezahlte Sängerin engagiert, das Geld kam wieder rein. Die Nachbarinnen platzen vor Lachen: „Sie hielt die Scheine in den Händen und sprach mit ihnen: ‚Da seid ihr ja wieder! Ihr habt mir sehr gefehlt!!!‘“