Maulwurfsdame mit Schleife

Der populäre Marktplatz-Maulwurf Buddel bekommt Gesellschaft: Unter dem witzigen Decknamen „Buddeline“ treibt er sich demnächst mit einer Artgenossin herum

Sie liegt schon lange in der schweren Luft, diese unerträgliche Gewissheit, dass bald etwas Großes passieren wird: An der lila Fassade des Bremer Rathauses, über der in neuem Glanz erstrahlenden Obernstraße, um die Bauwagen auf dem Marktplatz: Irgendwas ist anders.

Und tatsächlich wird Bremen nie mehr sein wie zuvor: Der sehende Maulwurf Buddel, dieser hohe Repräsentant des Bremer Baugewerbes, ist verliebt. Wird er deshalb in Zukunft lieber mit einer adretten Artgenossin unter den Arkaden des Rathauses lustwandeln, statt weiter als Vertreter des Proletariats den Presslufthammer zu schwingen?

Ein einmaliger Geniestreich, den die erleuchteten Köpfe der Bremer Marketing GmbH gestern vorstellten: Ein erfolgreiches Maskottchen allein bringt’s nicht mehr so ganz, und so schafften die Marketing-Herren einfach ein Neues ran. Wie praktisch für die Produktion, dass Buddel sich zufällig in sein Spiegelbild verliebt hat: Nun gucken all die armen Aspiranten, die Regenwürmer und Ameisen, die auch so gern Bremer Maskottchen geworden wären, in die Röhre der Kanalisation. Und die Maulswurfsdame unterscheidet sich von Buddel – da haben die Kreativen bei der ausführenden Agentur Wächter&Wächter ihrem Namen alle Ehre gemacht – wie alle Frauen von ihren Männern, nämlich durch ein rotes Schleifchen im Haar und dasgestreifte Kleid.

Aber Buddeline, so der ausgefallene Arbeitstitel, ist keineswegs ein Opfer des Patriarchats. Ganz im Gegenteil: Die Lektüre ihrer mehrseitigen Vita deutet auf eine voll emanzipierte Besserverdienerin hin: Die Maulwürfin habe während eines Nordamerika-Aufenthalts bei einem großen Reiseveranstalter gearbeitet („Um“, wie bei großen Reiseveranstaltern eben üblich, „neue und wenig bekannte Flecken von eigenem Charme zu finden“). „Zurück in ihrer Heimatstadt Bremen gibt sie nun, umgeschult zur Fremdsprachenkorrespondentin, im eigenen Büro Kurse in Business-English“, verrät stolz Dirk Assent von Wächter&Wächter. Ganz deutlich zu spüren: ein Hauch bittersüßer Sozialromantik – die Überwindung der letzten Klassengrenzen liegt in greifbarer Nähe.

Frei von alten Rollenverteilungen ist auch die Erläuterung von Bremen Marketing-Chef Klaus Sondergeld: „Buddeline hat immer einen Rucksack dabei, weil sie so gern in der Innenstadt einkaufen geht.“ Natürlich wird die Maulwürfin noch einen anderen Namen bekommen. Schließlich ist sie keineswegs eine unterdrückte Frau, degradiert zum hübschen Beiwerk des schwitzend schuftenden Marktplatzverschönerers. Den Marketingexperten ist aber nichts eingefallen, deswegen müssen jetzt die Laien ran: „Am 15. August schalten wir mehrere Anzeigen für einen Namenswettbewerb. Buddelines wahrer Name wird dann zehn Tage später auf die gleiche Weise verkündet“, freut sich Sondergeld.

Bedeuten mehr Maulwürfe in der Stadt etwa noch mehr Baustellen? „Die Arbeiten an Rathaus, Marktplatz, Obern- und Sögestraße sind bis zum Herbst fertig, neue Baustellen gibt es in diesem Jahr nicht mehr“, verspricht Sondergeld. Vielleicht soll die Schleifchen tragende Emanze dem vom vielen Renovieren erschöpften Buddel dann den langweiligen Winter versüßen, bis im Frühjahr 2003 dann wieder richtig rangeklotzt wird? „Nächstes Jahr stehen Verbesserungen Am Wall und am Schüsselkorb an“, sagt Sondergeld. Wenn‘s dann wieder richtig viel zu tun gibt, haben die beiden Maulwürfe in ihrem Bau vielleicht schon für Nachwuchsarbeitskräfte gesorgt: Nach der kurzen Maulwurf-Tragzeit von vier Wochen könnte Papa Buddel einfach die Kleinen ranschicken. Und mit seiner neu benannten Herzdame neue, wenig bekannte Flecken erkunden.

Sebastian Kretz