Fest die Augen schließen für den Weltfrieden

Ein Nachmittag in der Blumenthaler Akademie für Transzendentale Meditation: Gelassenheitsprofis werden hektisch, aber das Empfinden fürs Relative ist ganz groß. Zurzeit wird die Bewusstseins-Waschmaschine geplant. Ein Treffen im kultischen, blumenüberbordenden Raum

Der Meditationslehrer Ingo Fischer ist angespannt: Wie jeden Mittwochnachmittag gibt sein oberster Boss Maharishi Mahesh Yogi, der Erfinder der „Transzendentalen Meditation“ (TM), via Satellit eine weltweite Pressekonferenz. Diesmal allerdings wurde die Presse auch nach Bremen-Blumenthal eingeladen, und dort muss Fischer den Event präsentieren.

Seit 1967 werden in der Ilse-Eickhoff-Meditationsakademie TM-Seminare angeboten. Man trifft sich in einem kultischen, blumenüberbordenden Raum: knallbunte Portraits mit dem Antlitz des indischen Meisters zieren die Wände, und ein illuminierter Globus soll symbolisieren, dass der Weltfriede ausgehen möge von Bremen-Blumenthal. Hektisch hantiert Fischer mit Fernbedienungen, um Maharishi akustisch und visuell optimal herbeibeamen zu können.

Im Saal fiebern knapp 30 TM-Schüler Maharishi entgegen: „Empfindest Du mich als intolerant?“, fragt eine Seminar-Teilnehmerin ihre Nebensitzerin. „Es fehlt Dir ein wenig an Weitblick für das Relative“, bekommt sie zur Antwort.

Ganz vorne hat sich Reinhard Borowitz aufgebaut, Geschäftsführer der deutschen Maharishi Veda GmbH. Um die Zeit bis zum virtuellen Erscheinen des Meisters zu überbrücken, singt Borowitz sein Hohelied: TM sei keine Utopie und keine Religion, sondern eine „konkrete, wissenschaftlich erprobte Friedenstechnik“ – eine geistige Technik, die den Menschen in einen Zustand tiefster Entspannung führe. Weltweit wolle man in 3.000 Städten so genannte „Kohärenz-Gruppen“ von 100 bis 200 TM-Experten aufbauen. Eine solche Gruppe werde „wie eine Art Waschmaschine für das kollektive Bewusstsein der Gesellschaft wirken“, sieht Borowitz voraus. Das Resultat: Endlich Schluss mit Stress, Kriegen und Terrorismus, die Menschen gingen „produktiver miteinander um“, der Weltfriede rücke in greifbare Nähe.

TM müsse folglich an allen deutschen Schulen eingesetzt werden, sagt Herr Borowitz und wird jetzt richtig ungehalten: Nur mit TM entwickelten Kinder ihr volles geistiges Potenzial. Es den Schülern zu verweigern, sei „genauso absurd, wie wenn man einem gesunden Kind neun Finger amputieren würde“.

Jetzt ist der Meditations-Missionar in Fahrt: Wer morgens und abends je zwanzig Minuten die Technik betreibe, „macht zweimal am Tag richtig toll Urlaub und erreicht einen Zustand, der tiefer ist als der tiefste Punkt im Tiefschlaf“, verspricht Borowitz: „Sie sind dann einfach besser drauf!“

Mehr als nur gut drauf ist Claudia Möbius: Die promovierte Physikerin aus Dresden investiert einen Gutteil ihres Urlaubs in den Blumenthaler Seminaraufenthalt. Seit 1996 betreibt sie TM und beherrscht mittlerweile die fortgeschrittene Technik, das so genannte yogische Fliegen: „Man bewegt sich dabei in die Lüfte und kommt dann wieder runter, das ist ein sehr friedvoller Anblick“, schwärmt Möbius.

Aber wie funktioniert denn nun diese TM-Technik? Dieses Wissen müsse reingehalten werden, flüstert Möbius, da müsse man schon einen Kurs bei einem Lehrer wie Ingo Fischer besuchen. Auch Fischer gibt sich schmallippig: Bei der TM werde eine „natürliche Fähigkeit des Nervensystems aktiviert“, raunt er. Dies geschehe durch den stillen Gebrauch eines Mantras, einer Aneinanderreihung bestimmter Silben.

„Bevor Maharishi spricht, gehen wir noch fünf Minuten in die Transzendenz“, flötet jemand. Borowitz, Fischer und die knapp 30 Seminarteilnehmer schließen die Augen – manche lächeln in sich hinein, andere geben ein schwaches Seufzen von sich.

Dann folgt die wöchentliche Predigt des Mannes mit dem Rauschebart, der aus Holland zugeschaltet ist. Die Frohbotschaft des 87-jährigen Maharishi ist simpel gestrickt: Ob Kapitalist, Kosmopolit oder Nationalist: Jeder Mensch, der sich auf den Pfad der TM begebe, trage zum Weltfrieden bei. Dann schimpft der Greis über den US-Präsidenten und dessen „zerstörerische Politik“, kommt über Einstein und Hiroshima zu Hitler und landet schließlich bei Israel, das wiederum nur „mit dem Atem“ der bösen USA lebe.

Den kaum zehnjährigen Jungen in der ersten Reihe interessieren die pazifistischen Eruptionen des Gurus allerdings nur peripher: Er vertieft sich lieber in einen Micky-Maus-Comic und verschlingt eine Donald-Episode, deren Titel den entspannten Friedens-Fliegern wenig imponieren wird: „Amoklauf beim Bettenkauf“. Markus Jox