Nur aufrichtige Vielflieger

Trotz Gysis Geständnis haben die anderen Parteien keine Angst vor Privatfliegern in den eigenen Reihen. Nur die PDS sucht weiter. Verwaltung denkt an Neuregelung

BERLIN taz ■ Erst Cem Özdemir, dann Gregor Gysi. Welcher der Bundestagsabgeordneten sich als Nächster outen muss, seine dienstlich erworbenen Flugmeilen privat verflogen zu haben, weiß wohl nur die Bild-Zeitung, deren Recherche zu den Geständnissen der beiden geführt hat. Trotzdem gibt sich das politische Berlin lässig: Kein hektisches Suchen nach dem nächsten Vielflieger ist zu verzeichnen.

„Uns ist niemand bekannt, der seine Bonusmeilen privat verflogen hat“, hieß es gestern aus der SPD-Fraktion. Kontrollieren könne man das zwar nicht, halte es aber nach den Ereignissen der letzten Tage auch nicht mehr für nötig. Auch in der Fraktion der Union will man zwar nicht ausschließen, dass einzelne Abgeordnete nicht alle Bonusmeilen dem Bundestag zur Verfügung gestellt haben, konkrete Anhaltspunkte gebe es bisher aber nicht.

Selbstbewusster gibt sich die FDP: Man gehe nicht davon aus, schwarze Schafe in den eigenen Reihen zu finden. „Wir sind uns dieses Problems schon lange bewusst“, so eine Sprecherin. Man habe vor einiger Zeit im Ältestenrat eine Neuregelung angeregt. „Wir gehen deshalb relativ gelassen in diese Diskussion.“

Einzig die PDS sucht nach weiteren Abgeordneten, die ihre Meilen privat genutzt haben könnten. „Es ist durchaus möglich, dass die Fehlinformationen, die in Gysis Büro vorhanden waren, auch bei anderen angekommen sind“, sagte eine Sprecherin. Der ehemalige PDS-Abgeordnete und jetzige Berliner Wirtschaftssenator Gregor Gysi hatte am Montag einräumen müssen, dienstlich erworbene Bonusmeilen für private Flüge verwendet zu haben. Gysi war damit nach dem Grünen Cem Özdemir der zweite Politiker, der offen zugeben musste, nicht alle Bonusmeilen dem Bundestag zur Verfügung gestellt zu haben.

Spätestens seit einem Ältestenratbeschluss im Juni 1997 hätte jeder Abgeordnete wissen müssen, dass die im Dienst gesammelten Bonusmeilen nur für mandatsbezogene Flüge verwendet werden dürfen. Seitdem steht unter jeder Reisekostenabrechnung: „Falls aus diesem Flug Bonusmeilen entstanden sind, stelle ich sie ausschließlich für Dienst- und Mandatsreisen zur Verfügung.“

Die Regelung allerdings gilt schon seit 1994, damals startete der Bundestag die Kooperation im Miles&More-Programm der Lufthansa. Seitdem erhält jeder Abgeordnete persönlich eine so genannte Senator-Card, deren Daten nur mit einer privaten Pin-Nummer abgerufen werden können.

Darauf werden sowohl dienstliche als auch private Flüge verbucht – eine Regelung, die die Bundestagsverwaltung von Anfang an für problematisch hielt. Dazu kommt, dass die Abgeordneten ihre Flüge nicht nur in der Reisestelle des Bundestags, sondern auch selbst buchen und erst hinterher abrechnen können. „Also könnte überhaupt nur kontrolliert werden, wer bei uns bucht und seine private Pin-Nummer angibt“, so eine Sprecherin der Bundestagsverwaltung. Denn Lufthansa schickt die monatliche Auflistung aller Flüge und Bonusmeilen den Inhabern der Senator-Card privat zu. Und eine rechtliche Handhabe hat man trotz des Ältestenratsbeschlusses nicht.

Zwar will man jetzt Vorschläge erarbeiten, wie man die Abgeordneten künftig besser kontrollieren kann. Bei Lufthansa wird sich aber im Umgang mit den Senator-Card-Besitzern nicht viel verändern: „Das ist kein Firmenbindungs- sondern ein Kundenbindungsprogramm“, so Sprecherin Amelie Lorenz. Im Übrigen erfordere es zwar ein bisschen Arbeit, sei aber durchaus möglich, auf den monatlichen Abrechnungen die Flüge klar zuzuordnen. Wer allerdings bei der Fluglinie so gezielt Informationen über bestimmte Politiker weitergibt, darüber schweigt sich Lufthansa aus. Deshalb bleibt wohl nur abwarten, welchem Abgeordneten die Bild ihre nächste Recherche widmet.

SUSANNE AMANN